Belastendes Arbeitsklima und Zukunftsangst - Gehen oder bleiben?

traumreisende

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28 April 2009
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Hallo liebes Forum!

Ich stecke momentan in einer schwierigen Situation und würde euch gern um eure Einschätzung und Erfahrungsberichte bitten, die mir vielleicht dabei helfen, etwas klarer zu sehen...

Ich arbeite seit fast 2 1/2 Monaten als Arztassistentin in einer Gruppenpraxis. Davor war ich ein halbes Jahr als selbstständige Shiatsutherapeutin tätig, da es jedoch mit dem Aufbau sehr langsam vorangeht, hatte ich mich dazu entschieden, zusätzlich einen Teilzeitjob anzunehmen.
Ich hatte schon von Anfang an Probleme mit dem Stress und der Hektik des Praxisalltags wenn viel los ist sowie mit dem erforderlichen Multitasking in solchen Situationen.
Was mir jedoch am meisten Stress bereitet, ist das Verhalten meiner Kolleginnen. Es hagelt immer wieder Kritik und das passiert immer in einem genervten und respektlosen Tonfall. Sie machen mich dabei (oft vor den Patienten) klein und behandeln mich, als wäre ich ein Schulkind, das seine Hausaufgaben nicht richtig gemacht hat. Das empfinde ich als sehr demütigend.
Ich habe schon versucht, mit ihnen darüber zu reden, es hat aber nichts gebracht. Sie sehen sich im Recht, für sie bin ich zu langsam und zu unkonzentriert. Dabei entsteht für mich der meiste Stress durch diesen unguten Umgang miteinander und den dadurch entstehenden emotionalen Stress, wo ich mich dann gar nicht mehr konzentrieren kann. Es herrscht auch ständig eine gereizte Stimmung, ständig wird über jemanden aus dem Team gelästert.
Ich muss mich andauernd für irgendwas rechtfertigen und fühle mich dann wie auf einer Anklagebank. Mir wurden auch schon 3malFehler angedichtet, die eindeutig nicht meine Schuld waren und als ich mich erklären wollte, wurde ich überfahren und hatte keine Chance. Ich war schuld und Punkt.
Ich müsste bestimmt und selbstsicher auftreten und entsprechend ihrer Art auch grob zurückreden, ich bin jedoch ein sehr sensibler Mensch und kriege das einfach nicht hin, selbst wenn ich es mir vornehme. Ich bin insgesamt ganz anders als sie und wir haben keine Gemeinsamkeiten.
Dieser ständige psychische Stress setzt mir sehr zu und hat auch schon gesundheitliche Auswirkungen. Ich bin insgesamt sehr unsicher geworden und fürchte mich davor, Fehler zu machen, weil darauf nie gelassen reagiert wird. Ich muss mich dabei immer verteidigen.

Es gibt jedoch bei diesem Job noch eine andere Seite. Mein Chef ist ein unglaublich lieber und netter Mensch und ich habe von Anfang an viel Wertschätzung von ihm erfahren. Er sieht meine sensible Art als Stärke an und für ihn ist es von großem Wert, dass ich freundlich und einfühlsam mit den Patienten umgehe (etwas, das besonders bei einer Kollegin oft ein Problem ist und die deswegen fast schon gekündigt worden wäre).

Letzte Woche nun ist die Situation mit mir und meinen Kolleginnen eskaliert und es gab einen Streit. Ich habe vergeblich versucht mich zu verteidigen, hatte aber gegen die dominante Art meiner Kolleginnen keine Chance und war danach so fertig, dass ich den Entschluss gefasst hab zu kündigen. Zufällig hat den Streit jemand aus dem Team mitgekriegt und dem Arzt davon erzählt. Der Arzt steht auf meiner Seite und hat mich jetzt in einen anderen Bereich versetzt. Zusätzlich hat er mit meinen Kolleginnen geredet. Das fand ich unglaublich nett von ihm.
Jetzt ist es aber so, dass ich außer Telefonieren fast nichts zu tun habe. Außerdem arbeite ich jetzt mit meiner dritten Kollegin zusammen, die ständig mies drauf ist. Überhaupt ist die gesamte Stimmung in unserem Assistentinnenteam angespannt und gereizt. Ständig wird irgendwer wegen eines Fehlers gerügt und es herrscht weder Gelassenheit noch Verständnis. Ich hab ständig Angst, etwas falsch zu machen. Heut ist mir ein Fehler passiert, weil ich etwas nicht gewusst habe und meine zu Aggression neigende Kollegin ist daraufhin rübergekommen und ist vollkommen augetickt und hat getobt, dass sie mich noch irgendwann einmal schlagen würde. Ich empfinde diese Arbeitsatmosphäre einfach nur mehr als belastend und obwohl mir die Arbeit an sich Freude gemacht hat, würde ich am liebsten gehen. Vor allem weil ich mich auch im neuen Bereich nicht gut fühle. Der Arzt dagegen meint immer wieder, wie froh er ist, dass sie mich haben und dass sie mich nicht verlieren wollen. Jetzt ist außerdem eine Kollegin schwanger geworden und ich habe das Gefühl, dass ich erst recht bleiben muss.

Dazu kommt, dass ich die Kündigung als Anlass nehmen wollte um mir endlich einen Traum zu erfüllen und aus der Großstadt wegzuziehen und in einer Kleinstadt, die meinem Bedürfnis nach mehr Ruhe und Überschaubarkeit entspricht, neu anzufangen und das mit der Selbstständigkeit auszubauen. Jetzt fühle ich mich jedoch fast schon verpflichtet, dort zu bleiben, weil mein Chef mich so sehr schätzt und weil ich auch nicht vor einer Herausforderung und möglicherweise Wachstumschance davonlaufen will. Auf der anderen Seite habe ich aber das Gefühl, dass ich bald nicht mehr kann. Ich fühle mich dort in dieser angespannten Atmosphäre mit meinen Kolleginnen einfach nicht wohl. Außerdem habe ich Zweifel daran, ob dieser Job an sich etwas für mich ist, weil ich mich dort so schlecht konzentrieren kann (was jedoch hauptsächlich am Stress liegt).
Die Alternative wäre zu kündigen und vorübergehend zu meinen Eltern zu ziehen. Das würde für mich jedoch einen Rückschritt bedeuten und ich hätte Angst, in totale Passivität zu verfallen und depressiv zu werden ohne eine regelmäßige Beschäftigung (so eine Situation hatte ich vor einigen Jahren schon einmal).

Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll und diese ganze Situation belastet mich sehr.

Was würdet ihr in meiner Situation tun? Ich freue mich über jede Anregung!

Danke und liebe Grüße,

traumreisende
 
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Hallo und willkommen!

Zunächst möchte dich einmal fragen, warum du den Drang hast, dich ständig defensiv zu verhalte? Du lässt dich da in die Rolle eines willfährigen Opfers drücken. Wozu? Warum machst du das? Das hast du doch gar nicht nötig.

Mich wundert es gar nicht, dass deine Arbeitskolleginnen- und ja, auch dein Chef(!), so mit dir umgehen. Sie benutzen dich nur und du spielst ihr schlimmes Spiel mit. Das geht gar nicht! Das solltest du nicht nur- das musst du umgehend ändern!

Du lässt dich von deinen Kolleginnen mobben und schlecht misshandeln, weil sie das mit dir machen können. Ehrlich gesagt würde es mich auch ganz schön nerven, wenn da jemand neben mir arbeitet, der sich als Opfer von Intrigen und Missgunst sieht. Jemand der noch dazu der Liebling des Chefs zu sein scheint.

Ob du nun kündigst oder nicht, ist dabei völlig egal. Wenn du jetzt nichts an deinem Verhalten änderst, wird dir das woanders wieder vor die Füße fallen. Und auch als selbständig Arbeitende würde sich da gar nichts ändern, wenn du nicht jetzt dein Verhaltensmuster durchbrichst. Vielleicht wäre hier ein Jobcoaching das Richtige für dich. Wenn du jemanden an deiner Seite hättest, würdest du lernen können, deine Situation aus einer anderen Sicht zu sehen. Überlege einmal.

Weißt du, Fehler bei der Arbeit zu machen ist völlig normal und das passiert jedem. Niemand ist perfekt. Wir sind keine Maschinen (und die machen auch Fehler, weil sie von Menschen programmiert sind). Aber wie wir damit umgehen, wenn wir darauf hingewiesen werden, dass (oder wenn) uns da mal ein Fehler passiert ist, macht den Unterschied. Warum hast du das Gefühl dich dauernd verteidigen zu müssen? Steh´ zu dir und deiner Art die anfallenden Arbeit zu erledigen. Und lass dich nicht länger von deinem Chef manipulieren. Du arbeitest in seinem Betrieb und bekommst Geld dafür. Das ganze nennt man Arbeitsverhältnis. Punkt. Du bist ihm gar nichts schuldig. Wenn du dieses Arbeitsverhältnis aufkündigen willst, dann ist das deine Entscheidung. Lass dir kein schlechtes Gewissen einreden. Hast du dich schon einmal gefragt, wer für das ungute Betriebsklima bei deiner Arbeit verantwortlich ist? Du darfst getrost annehmen, dass das dein Chef ist. Anstatt dich an einen anderen Platz zu versetzen, sollte er für ein vernünftiges Arbeitsklima sorgen. Das ist nämlich seine Pflicht! Ein offenes Gespräch zwischen allen Beteiligten, wäre hier vielleicht von Nutzen.

Und wenn dir eine Kollegin Schläge androht, dann sage, du wirst umgehend Anzeige bei der Polizei erstatten! Und wenn sie dir etwas mitzuteilen hat, dann soll sie das in einem adäquaten Tonfall machen. Aber eigentlich gehört ein Mensch, der jemanden mit körperlicher Züchtigung droht, entlassen. Das ist ein Kündigungsgrund. Ich war lange Zeit selber selbständig und hätte so ein Verhalten niemals zugelassen.

Wenn du den Traum hast, dir ein Leben in einer anderen Stadt aufzubauen, dann bleibe dabei. Es muss kein Traum bleiben. Aber kläre erst deine jetzigen Probleme und lauf nicht einfach weg. Das bist du dir selber schuldig.

Liebe Grüße
Clara
 
Liebe Clara,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort, die mir einige wertvolle Anregungen gegeben hat!

Mir ist bewusst, dass ich da auch selber schuld bin, weil ich Unsicherheit ausstrahle und das mit mir machen lasse. Das weiß ich, doch es ist mir bis jetzt einfach nicht gelungen, das zu ändern. Ich hab mir schon so oft vorgenommen, dass ich das nächste Mal wenn etwas ist, bestimmt sage, dass sie so nicht mit mir reden können. Dann war die Situation da und ich habe kein Wort herausgebracht. Hinterher habe ich mich geärgert. Ich würde gern selbstsicher auftreten, aber das lässt sich nicht auf Knopfdruck herstellen. Dass das ein großes Problem ist und ich das ändern muss, ist mir durchaus bewusst. Ich möchte auch nicht einfach so weglaufen. Nur bin ich so blockiert, dass ich es nicht schaffe, mich richtig zu wehren.

Ich sehe mich nicht als Opfer von Intrigen und Missgunst und dass mich mein Chef mag, dafür kann ich nichts. Mich belastet der unfreundliche, aggressive Umgangston und die angespannte Atmosphäre. Es versetzt mich in großen Stress, wenn mir ein Fehler passiert und ich dann angefahren werde und ich bin dann nicht mehr in der Lage, konzentriert weiter zu arbeiten. Das ist ein Problem. Ich heule nicht herum, dass alle gegen mich sind. Ich hätte dem Chef auch nie von mir aus gesagt, dass ich ein Problem mit meinen Kolleginnen hab. So etwas kläre ich immer gern selbst und ich hatte ja auch schon dreimal mit meinen Kolleginnen darüber gesprochen, dass ich mit dem Umgangston nicht klarkomme und das dazu führt, dass mir erst recht Fehler passieren. Es hat nichts gebracht.

Ja, ein Coaching habe ich eh schon in Betracht gezogen. Ich wäre so gern in der Lage, bestimmt und selbstsicher aufzutreten, so dass ich nicht mehr als Opfer angesehen werde.

Das Gefühl mich verteidigen zu müssen habe ich deswegen, weil geäußerte Kritik fast immer in einem herrischen und anklagendem Tonfall vorgebracht wird und ich auch wirklich manchmal für Sachen kritisiert wurde, die nicht auf meine Kappe gingen und ich einfach automatisch den Impuls hatte, mich verteidigen und rechtfertigen zu müssen. Mein Problem ist, dass ich in solchen Situationen nicht schnell genug reagiere, um eine selbstsichere Antwort geben zu können. Ich erschrecke mich jedes Mal und dann ist es vorbei. Dass ich daran arbeiten muss ist mir klar.
Das Problem ist auch, dass die beiden der Ansicht sind, dass ich nicht schnell genug und nicht konzentriert genug arbeite. Das stimmt auch tatsächlich manchmal, nur hat das Gründe. Allein schon deswegen, weil ich nach 2 Monaten noch nicht alles weiß und mir manchmal einfach auch erst einen Überblick verschaffen muss. Unter Stress ist das um vieles schwieriger und wenn dann Kritik dieser Art kommt, bin ich vollkommen überfordert. Das hat mich auch sehr viel an Selbstvertrauen gekostet, weil ich meine Arbeit natürlich gut und möglichst fehlerfei machen will.


Da hast du schon recht, dass da der Chef die Verantwortung hat. Ich bin auch absolut nicht glücklich darüber, dass mich mein Chef quasi von den anderen beiden isoliert hat. Das hat unser Verhältnis verschlimmert und ich weiß nicht, ob sich das noch reparieren lässt. Ich fühle mich in dieser Rolle auch furchtbar unwohl.

Es war übrigens eh schon geplant, dass diese Kollegin aufgrund ihrer aggressiven Art entlassen wird. Ich sollte sie ursprünglich ersetzen. Es hat sich dann jedoch eine andere Ärztin aus dem Team für sie eingesetzt und sie konnte bleiben. Sie spielt jedoch eindeutig mit dem Feuer.

Ja, da gebe ich dir recht, dass ich meinen Traum erfüllen sollte aber auch nicht einfach weglaufen darf. Ich muss jetzt nur herausfinden, wie ich das am besten schaffe.

Ich danke dir und liebe Grüße,

traumreisende
 
Es klingt paradox, aber ich denke, die Kollegen haben Angst vor dir. Weil du so bist, wie sie nicht sein können und weil sie Angst haben, dass du ihnen den Job/die Anerkennung weg nimmst. Sie merken, dass der Chef dich für deine Art schätzt. Also tun sie alles dafür, dass du dich nicht wohlfühlst.

Ich war auch in so einer Situation, allerdings war es nur ein Praktikumsplatz. Ich bin nach einigen Tagen gegangen, weil ich mir das nicht antun wollte. Für mich war es der richtige Weg. Ich wollte das nicht ertragen.
Auch in meinen Jobs mache ich das so. Fängt es an mir keinen Spaß mehr zu machen, gehe ich. Bisher hat mir das nicht geschadet. Es haben sich immer neue Möglichkeiten eröffnet.

Off-Topic: Clara bitte lach nicht, so taff und konsequent, wie im Job, bin ich leider im Privatleben nicht. Ich merke das gerade wieder. Meine Chefin hält sich nicht an Absprachen - da weiß ich mir zu helfen.
 
Aber Hortensie, niemals werde ich über dich lachen. Warum auch? Dazu schätze ich dich und deine Beiträge viel zu sehr.

Außerdem: Du bist taff! Das weiß ich ganz sicher. Du wirst den richtigen Weg finden. Im Grunde genommen bist du ja schon unterwegs.

Ich entschuldige mich für das Off Topic.

Liebe Grüße
Clara
 
Liebe Hortensie, vielen Dank für deine interessante Antwort! Vielleicht ist da etwas dran. Zumindest sollte ich ja die eine Kollegin ursprünglich ersetzen, weil es wegen ihrer aggressiven Art Beschwerden seitens der Patienten gab und da die drei eine richtige Clique sind, war ich als Neuankömmling, noch dazu einer der von der Art her ganz anders ist als sie, sicher nicht wirklich erwünscht...

Ich finde es gut, dass du gegangen bist, weil du dir die Situation nicht antun wolltest. Und ich denke auch, dass sich immer Möglichkeiten ergeben. Genau das ist auch mein momentater Impuls, vor allem weil es nicht besser wird. Ich habe es so satt, ständig kämpfen zu müssen, stänig Lektionen zu lernen und Wege zu beschreiten, die nicht zu mir passen. Ich spüre in den letzten Tagen kaum Lebensfreude mehr und bin richtig depressiv und hoffnungslos geworden. Soll so mein weiteres Leben verlaufen? Ich würde so gern irgendwo einen Neuanfang wagen. Einfach ganz neu anfangen. Weg aus diesem Arbeitsumfeld, weg aus meiner lichtarmen Wohnung, weg aus der Großstadt und der Leere die ich momentan empfinde. Es muss doch auch anders gehen!

Kein Problem wegen dem Off Topic. :)

Liebe Grüße,
traumreisende
 
Hallo traumreisende,

klar geht es auch anders. Du kannst doch all das, was du in deinem letzten Absatz beschreibst, machen. Du musst doch nicht in deiner jetzigen Arbeitsstelle ausharren. Du musst nicht alles ertragen, du musst keine "Lektionen" lernen, die du nicht lernen willst. Du entscheidest ganz alleine, was gut für dich ist. Du bist frei.

Wenn du depressiv und ohne jede Hoffnung geworden bist, solltest du ganz dringend etwas unternehmen. Es ist nicht gut sich auf der Arbeit fertigmachen zu lassen, noch dazu von irgendwelchen Arbeitskollegen, die augenscheinlich einen miesen Charakter haben.

Was mir nur auffällt ist deine zaghafte Ansage "ich würde so gerne". Wenn du deine Ziele hast, dann bleibe dabei. Denn sie klingen für mich nicht, als seien sie unerreichbar. Nur: Zaghaft darfst du dabei nicht sein. Wenn du etwas für dich erreichen, willst, dann braucht es viel Mut und Stärke.

Für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen dem, was Hortensie da schreibt und deinen Problemen. Hortensie schrieb, sie geht, wenn ihr die Arbeit keinen Spaß mehr macht. Du schreibst von deinen massiven Problemen mit deinen Arbeitskollegen, die dich mobben, ja direkt misshandeln. Du gehst aber nicht. Du schreibst, du würdest das gerne machen. Du schreibst vom Pflichtgefühl gegenüber deinem Arbeitgeber und der Angst wieder bei deinen Eltern leben zu müssen. Das finde ich alles sehr verständlich. Deshalb schrieb ich dir, du musst dich zur Wehr setzen, wenn du bei deiner jetzigen Arbeit bleiben willst.

Du hast gefragt, was wir in deiner Situation tun würden. Ich schreibe dir, was ich tun würde. Ich würde nicht fortlaufen, sondern meinen Arbeitskolleginnen Paroli bieten. Auch, wenn mir das schwerfallen würde. Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt mich zu wehren. Ich bin früher selber gemobbt worden. Heute weiß ich, dass ich mit meinem Verhalten eine breite Angriffsfläche für solche Gemeinheiten war. Ich war ängstlich und sah mich als Opfer. Das hat sich geändert. Ich habe mir Hilfe geholt, als ich nicht weiter wusste. Alleine wäre ich da nie rausgekommen.

Dir gebe ich daher den Rat dich an eine Mobbingstelle zu wenden, damit du Hilfe bekommst. Und wenn du dich wieder selbständig machen willst in einem anderen, kleineren Ort, dann suche dir in diesem Ort Kontakte im Internet heraus. Alle Städte haben inzwischen eine Internetplattform mit den wichtigen Wirtschaftsdaten der Regionen, Kontaktangaben zu Selbständigen Initiativen u. Ä., Wohnungsmarkt u. V. m. Du musst dich halt informieren und am Ball bleiben. Du kannst finanzielle Unterstützung bekommen, wenn du ein gutes Konzept für deine Selbständigkeit hast. Du kannst aber auch erst einmal in einer ganz normalen Arbeitsstelle am neuen Wohnort arbeiten und sehen, ob du dich wohl fühlst.

Und bitte sage jetzt nicht, dass ich das mal alles so leicht sagen kann. Das ist nicht so. Ich hatte viele Jahre lang eine eigene Firma. Ich weiß ganz genau wie schwierig es ist auf eigene Rechnung zu arbeiten. Selbständig zu sein heißt nichts anderes als Selbst und ständig. Das hat mir so manche schlaflose Nacht beschert. Doch bereut habe ich es nie.

Alles Gute wünsche ich dir.(y)

Clara
 
Liebe Clara, vielen Dank für die wertvollen Impulse!

Das mit dem zaghaft sein stimmt und ist mir auch selbst schon einige Male aufgefallen. Bei mir ist es tatsächlich oft ein "Ich würde gern" und "Ich könnte vielleicht". Und dann kommt das große ABER. Ich habe zu große Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen und deswegen zögere ich dann. Das liegt daran, dass ich mir nur wenig zutraue und mir selbst nicht vertraue. Diese Unsicherheit zieht sich tatsächlich durch sehr viele Lebensbereiche. Ich muss wirklich dringend an meinem Selbstvertrauen arbeiten und Dinge auch tatsächlich tun und nicht nur von ihnen träumen. Ich zögere immer viel zu lange, wo eindeutiges Handeln gefragt wäre.

Du hast recht damit, dass ich mit meinem Verhalten/Auftreten eine Angriffsfläche biete. Das versuche ich eh schon zu ändern, indem ich mich bestimmter gebe. Ich bin aber noch nicht sehr erfolgreich damit. Ich würde meinen Kolleginnen gern Paroli bieten, nur schaffe ich es im jeweiligen Moment leider nie (und ich habe mir schon so oft Sätze zurecht gelegt, die ich dann sagen will). Irgendwas in mir denkt dann, dass sie mich zurecht so kritisieren und mich erschreckt dann auch der scharfe Ton in dem sie mit mir reden und ich werde ganz still und habe dann tatsächlich Angstgefühle. So als wäre ich ein kleines Kind. Ich mache mir dann danach immer bewusst, dass sie so mit mir nicht reden dürfen, dass sie nicht über mir stehen und nicht das Recht haben, mich auf diese Art und Weise zu behandeln. Und dann versuche ich mich zu wehren, will bestimmt dagegen angehen, aber selbst wenn ich mich dann verteidige kommt, wenn ich den Mund aufmache, nur eine sanfte Stimme heraus, die sofort im dominanten Wortschwall meiner Kolleginnen untergeht. Und dann fühle ich mich hilflos oder denke mir, dass es keinen Sinn macht, weiter zu diskutieren, weil sie ihre Meinung nicht ändern werden. Ich hasse diese Opferrolle, in der ich gar nicht sein will.
Ich müsste, wenn ich gegen diese Kolleginnen bestehen will, im gleichen Ton zurückreden wie sie, merke aber gerade, dass ich das eigentlich gar nicht will. Ich möchte nicht den Ton annehmen, den sie untereinander haben. Das bin nicht ich. Es mag für sie Normalität sein, für mich ist es das nicht. Deswegen habe ich auch wirklich das Gefühl, dass ich einfach nicht in dieses Team passe und es auch keinen Sinn macht, mich da behaupten zu wollen, um dort bleiben zu können (höchstens als Übung). Ich werde mich dort nie ganz wohl fühlen. Weder das Team noch die Arbeit dort passen zu mir.

Ich finde es toll, dass du es geschafft hast, dich gegen Mobbing zu wehren und dir da damals Hilfe geholt hast! Ich möchte natürlich auch keine Chance verpassen, mich weiterzuentwickeln, aber mir reicht jetzt schon mal die Erkenntnis, dass ich an meinem Selbstbewusstsein und Auftreten arbeiten muss und mir immer wieder bewusst machen muss, dass niemand das Recht hat, mich klein zu machen und sich über mich zu stellen. Bis ich das verinnerlicht habe, wird es aber eine Zeit lang brauchen. Nur möchte ich diese Zeit nicht an diesem Ort verbringen. Das Umfeld schadet mir, es raubt mir Energie und Selbstvertrauen und das Einzige was ich erreichen könnte ist, dass sie mich in Ruhe lassen (was eigentlich mittlerweile eh schon der Fall ist). Das ändert aber nichts daran, dass ich mich an diesem Arbeitsplatz nicht wohl fühle. Schon allein deswegen, weil auch die Tätigkeit nicht das ist, was zu mir passt.

Vielen Dank für deine Tipps bezüglich Selbstständigkeit! Da muss ich mich noch viel mehr informieren und einlesen, auch wenn für mich glaube ich die Kombination mit einer Teilzeitstelle momentan besser ist. Ich muss zuerst mich selbst stärken und mehr Selbstbewusstsein entwickeln, damit das mit dem Ausbau der Selbstständigkeit wirklich klappen kann. Ich bin da noch viel zu unsicher, traue mir zu wenig zu und schaffe es dementsprechend auch nicht, mich mit meiner Dienstleistung selbstsicher und souverän in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Ich hätte übrigens auf keinen Fall gesagt, dass du das alles so leicht sagen kannst.;-) Ich glaube dir sofort, dass das manchmal echt schwer war (ich hab es ja selbst auch gemerkt). Ich bewundere jeden, der sich eine eigene Firma aufbaut und davon leben kann und denke, dass das wirklich sehr harte Arbeit ist und eine große Herausforderung. Man muss sich das auch zutrauen und es dann einfach durchziehen und vor allem dran bleiben und nicht gleich aufgeben. Schön, dass du es nie bereut hast, auch wenn es nicht immer leicht war.:)

Ganz liebe Grüße,
traumreisende
 
Hi Clara!

Ich habe den Entschluss gefasst, Ende des Monats zu kündigen. Je mehr ich darüber nachgedacht und reflektiert habe, desto sicherer wurde ich mir, dass es ein notwendiger Schritt ist. Es fühlt sich innerlich einfach richtig an, während ich mir auf der anderen Seite nicht vorstellen kann, noch weitere Monate dort zu bleiben, um mich in Selbstbehauptung zu üben. Mein Bauchgefühl ist da wirklich deutlich und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich vor etwas davonlaufen würde.
Für mich war wie gesagt die Erkenntnis wichtig, dass ich an meinem Auftreten arbeiten muss und es wichtig ist, selbstsicherer zu werden und etwas zu sagen, wenn ich mit einem Verhalten nicht einverstanden bin (was ich ja auch schon getan habe, nur dass es eben nicht das gewünschte Ergebnis brachte). Das kann ich während der restlichen Zeit die ich dort bin auch nochmal bewusst trainieren. Ich hab erkannt, dass mich so ein Umfeld wie ich es momentan erlebe, extrem schwächt. Nicht nur aufgrund des Verhaltens meiner Kolleginnen, sondern wegen der allgemeinen gereizten und stressigen Atmosphäre dort. Diese Umgebung schadet mir mehr als dass sie mich weiterbringt.

Ich habe mich schon für einen anderen Job in einem Bereich beworben, in dem ich schon einmal gearbeitet habe und der ganz ok war und werde auch weiterhin nach möglichen Jobs Ausschau halten und Bewerbungen schreiben. Ein bisschen Zeit habe ich dann ja noch bis ich meine jetzige Arbeitsstelle verlasse. Sollte es mit einem neuen Job nicht so schnell klappen, werde ich weiter an meiner Selbstständigkeit arbeiten und auch meinen Traum, Kinderbücher zu schreiben und Kinderlieder zu komponieren endlich in Angriff nehmen (etwas, was ich schon seit Jahren tun will, aber immer wieder auf später verschoben habe, weil ich zu wenig Mut und Motivation hatte, es konkret umzusetzen. Dabei habe ich schon einige fast fertige Projekte in meiner Schublade liegen, die nur ausgearbeitet werden müssen). Mir ist klar geworden, dass ich es bereuen werde, wenn ich es nicht wenigstens versuche und diesen Traum verwirkliche.
Ich hab nochmal alles durchgerechnet und habe auf jeden Fall genug angespart, um im Notfall für das nächste halbe Jahr ohne Unterstützung mein Leben finanzieren zu können.
Ich habe jetzt mehr Klarheit und auch Selbstvertrauen in mir gefunden und vor allem die richtige Einstellung, um mir eine berufliche Zukunft aufbauen zu können, die meinen Fähigkeiten und meiner Persönlichkeit entspricht. Diese ist natürlich noch nicht so gefestigt, dass ich nicht schwanken und zweifeln werde, aber ich werde intensiv daran arbeiten, Ängste und Unsicherheiten diesbezüglich zu überwinden. Ich muss hier auch einfach mehr an mich glauben und Vertrauen ins Leben haben, dass sich alles gut entwickeln wird, wenn ich die nötigen Schritte setze.

Vielen Dank nochmal für deine hilfreichen Anregungen und liebe Grüße,
traumreisende
 
Da wünsche ich dir alles erdenklich Gute für die erfolgreiche Umsetzung deiner Träume!(y)

Vielleicht meldest du dich ja hin und wieder und erzählst uns wie es dir geht. Das würde mich freuen.

Viele Grüße
Clara
 
Hi zusammen!:)

Ich wollte wie angekündigt kurz berichten, wie es bei mir weitergegangen ist...

Ich habe, wie ich es vorgehabt hatte, meinen Job gekündigt, aber erst Anfang April nach einem Vorfall mit einer meiner Kolleginnen, der alle Zweifel wegfegte, die mich zuvor zögern ließen, meine Kündigung auszusprechen. Nachdem ich den festen Entschluss gefasst hatte zu kündigen, bekam ich interessanterweise am gleichen Tag ein Jobangebot in einer Musikschule und zwar in der Nähe meines Wunschortes.:) Es ist zwar nur eine befristete Stelle, aber sie eröffnet mir viele neue Möglichkeiten, bietet mir zwar nicht viel, aber ausreichend Geld, um in Ruhe an der Selbstständigkeit arbeiten zu können und ich werde evtl. auch die Möglichkeit haben, in naher Zukunft in einer anderen Musikschule eine Festanstellung zu bekommen. Das hat sich alles so glücklich und zum genau richtigen Zeitpunkt ergeben, dass es fast kein Zufall sein kann.:)

Was noch sehr interessant war...Nachdem ich gekündigt hatte, waren meine Kolleginnen plötzlich superlieb. Es kam kein einziges böses Wort mehr (ich hatte auch den Vorfall, in dem mich die eine Kollegin zur Schnecke gemacht hatte ihr gegenüber erwähnt und sie fragte mich dann auch, ob ich jetzt eh nicht ihretwegen gehe...es war ihr also durchaus bewusst, dass das nicht in Ordnung war). Ich blieb dann nur mehr 2 Wochen dort, weil ich meinen Urlaub aufbrauchen musste (es war eine einvernehmliche Auflösung) und auch noch Überstunden hatten und diese letzte Zeit war dann auch so angenehm und lustig, dass ich es am Ende fast schade fand, zu gehen.;-) Der Abschied war dann auch sehr schön, weil ich erkannte, dass ich dort bis auf meine 3 Kolleginnen eigentlich mit allen sehr gut auskam und auch liebe Leute kennengelernt habe, mit denen ich auch in Kontakt bleiben werde. Das war also ein sehr harmonischer Abschluss, für den ich sehr dankbar bin und der ein gutes Gefühl zurückließ.

Die Zeit jetzt ist sehr aufregend, die vielen Veränderungen, vor allem der für meine neuen Job notwendige Umzug machen mir ganz schön zu schaffen und ich fühle mich etwas überfordert und es sind auch viele Ängste mit dabei. Ich muss auch nach mehr als 10 Jahren ohne Auto wieder fahren lernen, weil ich in mehreren kleinen Ortschaften unterrichten werde. Aber diese Entwicklung ist eigentlich genau das, was ich wollte und ich spüre auch, dass dieser Neuanfang notwendig ist und habe Vertrauen, dass sich alles fügen wird. Ich muss jetzt nur noch eine neue Wohnung finden bzw. mich für einen Wohnort entscheiden, da es da mehrere Optionen gibt. Ich bin neugierig, wohin es mich schließlich verschlagen wird.;-)

Viele liebe Grüße,
traumreisende
 
Liebe traumreisende,

ein paar Male habe ich an dich denken müssen und wie es dir wohl ergangen sein mag inzwischen...

Daher freue ich mich wieder von dir zu lesen. Und dann noch mit so positiven Nachrichten! Du gehst deinen Weg, das ist toll!

Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass deine Ex-Kolleginnen nach deiner Kündigung freundlich wurden. Die ungeliebte Konkurrenz verließ sie. Das mögen solch schwachen Leute immer sehr. Aber wie dem auch sei, du bist sie nun los und kannst frisch durchstarten in deinem neuen Job.

Vor zwei Tagen habe ich mit einem Freund gesprochen. Er hat sich mit über vierzig dazu entschlossen doch noch den Führerschein zu machen. Er braucht ihn ebenfalls für die Arbeit. Und meine Schwester hat nach vielen Jahren des Nichtfahrens einen Auffrischungskurs in einer Fahrschule gemacht. Heute ist sie täglich mit ihrem Autochen unterwegs. Du schaffst das!(y)

Alles Liebe für dich und ganz viele Grüße
Clara:)
 
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Liebe Clara,

ich kam leider erst heute dazu, ins Forum zu schauen...Vielen lieben Dank für deine nette Nachricht und deine ermutigenden Worte!:) Du hast recht, ich kann jetzt neu durchstarten und dass auch andere das mit dem Autofahren nach längerer Zeit hingekriegt haben, macht mir Hoffnung.:)

Ganz liebe Grüße und auch für dich alles Liebe,
traumreisende
 
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