Ab wann ist man alt ?

Liebe Someone!

Da sind wir zwei. Zumindest was die Tatsache anbelangt, dass Dein Geburtstag gerade vor der Tür steht. Die Hälfte meines Lebens ist damit wahrscheinlich auch vorbei, zumindest wenn ich 100 werde.;)

Was hab ich schon erreicht? Und nun ist über die Hälfte des Lebens vorbei und es kann nicht mehr viel kommen, schon gar nicht das, was ich mir erhofft hatte.

Someone, mir fällt zu diesen Worten ein Spruch ein, ich weiss allerdings nicht, von wem er stammt, er ging in etwa so:

"Die meisten Menschen fürchten den Tod als ein Ereignis in der Zukunft. Doch in Wahrheit liegt der Tod in der Vergangenheit.

Gestern, vorgestern, alles, was Du bereits erlebt hast, ist unwiederbringlich vorbei - DAS hat sich bereits der Tod geholt.

Das LEBEN - das ist das, was vor Dir liegt."

Irgendwie gefällt mir dieser Spruch. Auch wenns schön war bis jetzt, es ist nur in der Erinnerung. Und das, was vor mir liegt, werde ich genießen - und leben.

Liebe Someone, ich glaube, es wird viele schöne Dinge geben, die Du erlebt hast, die Du erreichen konntest. Ich finde es schade, dass Du das nicht so sehen kannst. Du hast Kinder, sie sind gesund und Du hast den größten Part der Erziehungsarbeit schon geleistet. Allein das ist doch etwas, was Dich freudig stimmen könnte?

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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Liebe Reinfriede,

das stimmt. Darüber bin ich ja auch sehr dankbar.
Aber es war halt viel mehr, was ich dachte, wie mein Leben hätte verlaufen können.
Und irgendwie ist diese 0 jetzt etwas, was mir sagt.... jetzt bist Du wirklich alt.
Ist schwer zu erklären, es ist halt irgendwie ... anders
LG
someone
 
Hallo ihr Lieben,
Irgendwie fühl ich mich nicht "alt". Auf der anderen Seite, sag ich mir, ich bin es.... und das war es jetzt.
Was hab ich schon erreicht? Und nun ist über die Hälfte des Lebens vorbei und es kann nicht mehr viel kommen, schon gar nicht das, was ich mir erhofft hatte.
Irgendwie komisch.... solche Gedanken... aber sie sind da.
Liebe Grüße
someone

was hättest Du denn erreichen wollen..?
Woher weisst Du, dass Du in der Hälfte bist.?
 
Hallo zusammen :),

irgendwie beschäftigt mich das Thema alt werden/sein wieder , frage mich nur gerade , warum jetzt ? :rolleyes:

Zur Zeit habe ich insgesamt ein gutes Gefühl, was die Gegenwart betrifft......

Vielleicht weil mir Zweifel kommen, was die Zukunft angeht ??? In gesundheitlicher Hinsicht meiner Eltern ?!

Komisch, wieso gibt es solche Tagen, in denen irgendwas in einem vorgeht, aber man es nicht richtig bennen kann....

Muß mal in mich gehen !

Viele Grüße,

Silence
 
Vielleicht weil mir Zweifel kommen, was die Zukunft angeht ??? In gesundheitlicher Hinsicht meiner Eltern ?!

Hallo Silence,

ich glaube, das ist der Grund.

Wenn man Eltern hat, die in die Jahre kommen, beschleichen einen ganz automatisch immer wieder Gedanken über das Alter (und das Sterben).

Der Herbst ist auch die Jahreszeit, die einen dazu ganz besonders "animiert", auch wenn das Wetter momentan fast hochsommerlich ist.
Aber die Natur ist am Sterben, das läßt sich auch durch Sonnenschein nicht leugnen...

lg
Sandy
 
Liebe Silence!

Ich denke, es wäre eher nicht die Norm, wenn diese Gedanken NICHT da wären. Ich glaube, das Thema wird, je älter man selbst wird, desto aktueller. Und es ist wahrscheinlich ganz gut, sich - wenn auch immer nur kurz - zeitgerecht damit auseinanderzusetzen.

So kann man sich schön langsam über die Jahre bzw. Jahrzehnte mit diesem Gedanken anfreunden bzw. lernen zu akzeptieren, dass man eben selbst auch älter wird. Bis zu einem gewissen Alter dachte ich auch immer, ich würde ewig leben. Und alt werden alle anderen, nur ich nicht.:cool:

Heute ist zum Beispiel (passt grade zum Thema) was - in meinen Augen - total Wunderbares passiert:

Mein LG hatte sich seinen Vollbart wiedermal abrasiert, besonders lang hat er ihn ja nie, aber hie und da macht er tabula rasa und der Bart kommt weg. Dann kam er ganz gedrückt aus dem Badezimmer und meinte: Schau, ich hab grade bemerkt, dass ich Hängebäckchen bekomme - die waren unter dem Bart versteckt und beim letzten Mal abrasieren waren die noch nicht da...

Ich fand ihn zum Knuddeln süß. Weil ich auch irgendwie dabei gemerkt hab, dass er sich auch Gedanken macht - Männer haben glaube ich nicht so sehr das Problem mit dem optischen Älterwerden wie Frauen, so dachte ich zumindest bis jetzt immer.

Und ich glaube, man entdeckt eben im Laufe der Jahre immer mehr Hängebäckchen oder andere Zeichen der Zeit an sich selbst, das wegzudrücken fände ich verkehrt. Da ist es sicher besser, sich dadurch mit der Endlichkeit des Lebens zu arrangieren, schrittweise und zögerlich, aber doch.

Wenn Du beim Gedanken ans Älterwerden Pessimismus verspürst, dann deshalb, weil man den Focus vielleicht auf die negativen Dinge richtet statt auf die positiven.

Meine Eltern z.B. - ich könnte nun sagen, sie sind nicht mehr die Jüngsten, das eine oder andere Zipperlein plagt sie, das sind die negativen Dinge.

Die positiven sind: Sie haben Zeit, sie brauchen nicht mehr arbeiten, sie können tun und lassen, wann immer und was immer sie wollen, sie können das Leben nun genießen. Sie müssen nicht mehr drauf schauen, perfekt auszusehen, angepasst zu sein, einem bestimmten Bild zu entsprechen.

Sie müssen nicht mehr Babies wickeln, füttern, großziehen, mit ihnen durch die Pubertät gehen, sie haben ihren Job erledigt. Sie sind gewissermaßen schon frei.

Sie können leben, wie es ihnen gefällt. Sie DÜRFEN Hängebäckchen haben.

Ich bin sicher, bei Deinen Eltern fällt Dir auch einiges ein, das - im Gegensatz zu ihrem früheren Leben - etwas Schönes ist, etwas, das eine gute Qualität bietet, für die es sich lohnt, zu leben.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Liebe Sandy,

ja, das wird es wohl sein, dieses tägliche Erleben, daß auch die Eltern nicht mehr die Kraft haben, die sie früher besessen haben.

Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, daß sie nun die Hilfe bei uns Kinder und unsere Nähe suchen.

Bei meinem Vater habe ich ja schon länger das Gefühl, daß er " alt " wird, nun beginnt es bei meiner Ma, daß ich das fühle, wie schneller sie erschöpft ist, obwohl sie sich das nichtt anmerken läßt, sie ist eine richitge Kämpfernatur .
Und sie wird eh immer mein Vorbild sein, ein " Geht nicht " oder ich schaff das nicht mehr " werde ich nicht von ihr hören.

Vielen lieben Dank für Deine Antwort, Sandy und herzliche Altweibergrüße ,

Silence
 
Liebe Reinfriede,

ich habe mir das gerade bildlich vorstellen können, wie Dein Mann so vor Dir steht , das hast Du wunderschön erzählt, Danke ! :)

Ich würde es mir für andere und mich wünschen, das daß " Älterwerden " wieder positiv gewertet werden kann.

Jetzt mal abgesehen, von den Hängebäckschen :) , beschäftigt mich auch insbesondere die finanzielle Seite.

Viele Menschen gehen arbeiten, doch was sie an Rente bekommen, reicht hinten und vorne nicht, dann wird es sehr schwer sein, den Zustand zu genießen, daß man seine " Pflicht " getan hat. Das bischen reicht nicht mehr, Rücklagen zu schaffen.

Ich hoffe, daß ich ab dem neuen Jahr wieder mehr arbeiten gehen kann, sodaß die Perspektiven besser werden.

Jetzt im Oktober fahre ich erstmal in Reha , um wieder fit zu werden und dann erneut durchzustarten.

Viele liebe Samstagsgrüße,

silence
 
Sandy
Der Herbst ist auch die Jahreszeit, die einen dazu ganz besonders "animiert", auch wenn das Wetter momentan fast hochsommerlich ist
Aber die Natur ist am Sterben, das läßt sich auch durch Sonnenschein nicht leugnen..

Ja, so ist es mir heute gegangen ... trotz Baden im See und Sonnenbrand auf der Nase ... und zeitgleich Kastanien
sammeln ... gerade dieses wunderbare Wetter hat heute bei mir einen regelrechten Melancholie-Schub ausgelöst.

Liebe Silence,

erstmal (nicht als billiger Trost, sondern meine Überzeugung) ist es tatsächlich ein Geschenk Gottes, wenn ein Paar wirklich miteinander alt werden darf. So wie Deine Eltern, und Deine, Reinfriede.
So habe ich mir das für meine Eltern gewünscht und - ja, auch für mich selbst.

Wenn die Eltern alt werden, dann kommt in einem - vielleicht unbewusst - der Gedanke auf, dass man selbst "der Nächste" ist, so denn die von der Natur vorgesehene "Reihenfolge" eingehalten wird.
Und ich gestehe, es macht mir Angst.
Der Verstand gibt ganz klar vor, dass ich besser daran täte, mich mit meiner Endlichkeit tatsächlich auseinander zu setzen - aber mein Verdrängungsmechanismus ist da stärker. Letztens (und in einem ganz anderen Zusammenhang) fragte mich meine Jüngste, ob ich denn auch schon mein Testament gemacht hätte. Ich gebe zu, diese einfache Frage hat mir einen massiven Stich versetzt. Blöd, ich weiß.

Ich telefoniere in letzter Zeit wieder oft und lange mit meiner Mutter, und dabei laufen bei mir schon
mal die Tränen.
Sie ist über 80, sie lebt alleine, seit mein Vater gestorben ist, ist aber dennoch nicht einsam.
Trotzdem, der Widerspruch zu ihrer geistigen Regheit, ihrer jungen Stimme - und andererseits ihrem körperlichen Abbau geht mir sehr sehr nahe. Sie war immer ein sehr "schneller", wendiger und zupackender Mensch, und ihre eigene Fassungslosigkeit über den irreversiblen Ent-schleunigungsprozess sieht sie ungeschönt.
Ich könnte das auch nicht abfedern, dazu ist sie zu realistisch und nüchtern-denkend.
Mich macht das hilflos, und schliesslich bin ich es auch. Deshalb die Tränen, denke ich.

Reinfriede
Sie können leben, wie es ihnen gefällt. Sie DÜRFEN Hängebäckchen haben.

Ich weiß, was Du damit sagen willst, liebe Reinfriede.
Auch hier kann meine Ratio Deinem Gedankengang folgen und ihm auch zustimmen.
Aber meine Gefühle dazu, wenn es um mich selbst geht, könnten unterschiedlicher nicht sein.
Ich fürchte mich vor diesem Tag der inneren Resignation. Vor diesem "in Würde alt werden" (müssen), um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben..
Sich arrangieren, sich dem Unabänderlichen fügen.
Ich weiß auch nicht, mir geht's damit nicht sonderlich gut, weil mein Einfluss schwinden wird (das tut er ja bereits), ich es nicht mehr in der Hand haben werde. Meine Mutter ist hier ein Spiegel meiner eigenen Ängste, wie ich mir jetzt erst eingestehe.

Reinfriede
sie haben ihren Job erledigt. Sie sind gewissermaßen schon frei.

Schöne Aussage, friedvoller Gedanke ...

LG
Lucille
 
Viele Menschen gehen arbeiten, doch was sie an Rente bekommen, reicht hinten und vorne nicht, dann wird es sehr schwer sein, den Zustand zu genießen, daß man seine " Pflicht " getan hat. Das bischen reicht nicht mehr, Rücklagen zu schaffen.

Liebe Silence!

Ja, das ist sicher ein Aspekt am Altwerden, der nicht angenehm ist - mir persönlich wird er auch blühen. Ich habe, als die Kinder klein waren, halbtags zu arbeiten begonnen, um alles besser unter einen Hut zu bekommen. Und bin, weil es sich so ergeben hatte, beim Halbtagsjob hängengeblieben.

Die letzten Jahre, in denen ich rein theoretisch bereits ganztags hätte arbeiten können, wollte ich meinen Chef, der bald in Pension geht, nicht im Stich lassen. Es war die letzten Jahre auch immer unklar, wie lange dieser Job noch dauert, ich dachte immer, naja, noch ein Jahr, dann kam noch ein Jahr und noch ein Jahr...inzwischen sind es viele Jahre geworden (aber jetzt ist es dann tatsächlich vorbei mit dem Job).

Abgesehen davon, dass das für mich heissen wird, mich wieder auf Jobsuche begeben zu müssen, fehlen mir 15 Jahre Ganztabsjobgehalt für die Berechnung. Ich werde mit der Mindestpension auskommen müssen, obwohl ich vor den Kindern sehr gut verdient hatte.

Nur: Es macht keinen Sinn, JETZT davor Angst zu haben. Wenn es so kommt, dann kommt es sowieso so und mir hat die Angst davor nichts genutzt, sondern nur ein paar graue Haare mehr beschert.

Das Leben ist in der Gegenwart. Und ich denk, ein erfülltes Leben gehabt zu haben bedeutet, es genossen zu haben. Also genieße ich es. JETZT.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Liebe Lucille!

Ich hoffe, mein Beitrag wird nicht zu unstrukturiert, denn mir gehen viele Gedanken zu dem Thema durch den Kopf, ist ja auch ein großes Thema, finde ich.

Wenn die Eltern alt werden, dann kommt in einem - vielleicht unbewusst - der Gedanke auf, dass man selbst "der Nächste" ist, so denn die von der Natur vorgesehene "Reihenfolge" eingehalten wird.
Und ich gestehe, es macht mir Angst.
Der Verstand gibt ganz klar vor, dass ich besser daran täte, mich mit meiner Endlichkeit tatsächlich auseinander zu setzen - aber mein Verdrängungsmechanismus ist da stärker. Letztens (und in einem ganz anderen Zusammenhang) fragte mich meine Jüngste, ob ich denn auch schon mein Testament gemacht hätte. Ich gebe zu, diese einfache Frage hat mir einen massiven Stich versetzt. Blöd, ich weiß.

Weisst Du, dass ich (ich bin jetzt 50) schon vor 10 Jahren meinen letzten Willen verfasst habe? Mir ging es damals vor allem um die Sicherstellung der Versorgung der Kinder. Weil wir ja geschieden sind und ich das alleinige Sorgerecht habe, wären meine Kinder rechtlich ohne Erziehungsberechtigten dagestanden und womöglich in ein Heim gekommen, wenn mir etwas passiert wäre.

Deswegen verfasste ich einen letzten Willen und die darin vorkommenden Personen bekamen einen Abzug davon. Er regelte das Sorgerecht, die Wohnsituation und das Finanzielle.

Mich erschreckt die Frage nach einem Testament nicht. Für mich heisst das einfach Schutz für die Kinder - auch für den Fall, dass es mich mal nicht mehr hier geben sollte. Denn passieren kann auch etwas in jungen Jahren. Meine Großmutter starb mit 48, ihr Mann mit 49.

Mein damals kleiner Neffe fragte seinen Vater (also meinen Bruder), ob er, wenn er sterben würde, seinen Führerschein erben würde.:cool:

Die Frage nach dem Testament sehe ich selbst nicht als ein "Mama, Du bist alt", sondern als ein "Mama, denkst Du in jeder Situation an mich?"

Ich telefoniere in letzter Zeit wieder oft und lange mit meiner Mutter, und dabei laufen bei mir schon
mal die Tränen.
Sie ist über 80, sie lebt alleine, seit mein Vater gestorben ist, ist aber dennoch nicht einsam.
Trotzdem, der Widerspruch zu ihrer geistigen Regheit, ihrer jungen Stimme - und andererseits ihrem körperlichen Abbau geht mir sehr sehr nahe. Sie war immer ein sehr "schneller", wendiger und zupackender Mensch, und ihre eigene Fassungslosigkeit über den irreversiblen Ent-schleunigungsprozess sieht sie ungeschönt.
Ich könnte das auch nicht abfedern, dazu ist sie zu realistisch und nüchtern-denkend.
Mich macht das hilflos, und schliesslich bin ich es auch. Deshalb die Tränen, denke ich.

Ich verstehe Dich da gut, Lucille. Ich sehe bei meinen Eltern auch, wie sie schwächer werden. Meine Mutter war früher eine Powerfrau, ein Heimwerker, ein Energiebündel, das scheinbar aus einer unversiegbaren Quelle schöpfte. Sie bemerkt selbst, dass sie nicht mehr soviel Kraft hat. Sie hat den "Vorteil", dass sie an meinem Vater sieht, dass es ihm auch so geht, sie gehen diesen Weg gemeinsam.

Mir hat jemand mal etwas gesagt, das ich Dir hier sinngemäß an dieser Stelle erzählen möchte, für mich war diese Metapher sehr hilfreich:

Das Leben ist eine Urlaubsreise. Wir kommen auf diese Welt und bewegen uns mithilfe eines Körpers hier, mit dem wir diesen Urlaub erleben können, mit allen Sinnen. Es liegt an uns, ob wir diesen Urlaub genießen oder ihn einfach vorübergehen lassen. Wir können diesen Urlaub im Hotelzimmer verbringen, wir können aber auch die Schönheiten der Landschaften und die Gespräche mit den Menschen genießen.

Die Fahrkarte retour haben wir im Gepäck und wohin dann der nächste Urlaub gehen wird, wissen wir noch nicht - das Jetzt ist wichtig.

Wenn es Zeit wird für die Heimreise, weil wir genug erlebt haben, beginnt der Körper, Dich weniger festzuhalten. Er hat nicht mehr die Kraft und Energie, die er früher hatte, das ermöglicht Dir den bequemen Ausstieg. Es ist wie ein Zug, der immer langsamer wird, damit Du am Umsteigbahnhof aussteigen kannst.

Mir ist das besonders aufgefallen bei einem Onkel von mir, der die letzten Wochen vor seinem Tod zwar optisch und auf den ersten Eindruck voll da war, aber im Gespräch immer wieder zeitweise "ausgestiegen" ist. Er war mit einem Bein schon draussen aus dem Körper.

Ich weiß, was Du damit sagen willst, liebe Reinfriede.
Auch hier kann meine Ratio Deinem Gedankengang folgen und ihm auch zustimmen.
Aber meine Gefühle dazu, wenn es um mich selbst geht, könnten unterschiedlicher nicht sein.
Ich fürchte mich vor diesem Tag der inneren Resignation. Vor diesem "in Würde alt werden" (müssen), um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben..
Sich arrangieren, sich dem Unabänderlichen fügen.
Ich weiß auch nicht, mir geht's damit nicht sonderlich gut, weil mein Einfluss schwinden wird (das tut er ja bereits), ich es nicht mehr in der Hand haben werde. Meine Mutter ist hier ein Spiegel meiner eigenen Ängste, wie ich mir jetzt erst eingestehe.

Ich habe in den letzten Monaten sehr oft Diskussionen mit einer Freundin von mir, wir haben schon zusammen in der Sandkiste gespielt, so lange kennen wir uns schon. Ihr Leben verlief komplett anders als meines, sie kam aus reichem Haus, machte Karriere, blieb kinderlos und lernte die Welt kennen. Ich kam aus armen Verhältnissen, bekam drei Kinder und lernte meinen Garten kennen.:rolleyes:

Wir haben also zwei völlig unterschiedliche Ausganspositionen, was den "Sinn des Lebens" angeht. Meine Aufgaben sah ich in erster Linie in meinen Kindern, sie ihre im Kennenlernen der Welt.

Jetzt, da meine Kinder ausziehen werden und ich bald "alleine" dastehen werde, haben wir beide wieder eine ähnliche Situation - ich muss mich neu orientieren und meinen "Sinn" der neuen Situation anpassen.

Da wir gleich alt sind, haben wir - sinnbildlich gesprochen - beide unsere Hängebäckchen. Und es ist interessant, wie verschieden unsere Herangehensweisen an diese Thematik "Altern mit Würde" sind.

Für mich bedeutet Altern Freiheit in einem gewissen Sinne - eine Freiheit, die sie nicht so empfindet, weil sie ja immer "frei" war. Ich freue mich (mit einem lachenden und einem weinenden Auge) auf die Freiheit, für sie ist es die Norm.

Somit fällt für sie dieser Vorteil weg, der Nachteil (der in meiner Situation als Ausgleich wahrgenommen wird) ist demnach vorherrschendes Thema.

Sie hat sich inzwischen für ein Facelifting angemeldet, überlegt, Hormone zu nehmen, weil die ersten Wechselsymptome da sind - die sie nicht so extrem stören würden, wäre es nicht auch mit einem Elastizitätsverlust der Haut verbunden. Dazu kommen Depressionen, weil das optische Altern leider nicht kontinuierlich, sondern wie ein plötzlicher Abgrund stattgefunden hat.

Ich nehme diese Veränderungen an mir auch wahr. Doch ich hab als "Gegenleistung" die Aussicht auf etwas, das ich als schön empfinde, das macht es für mich nicht so schlimm. Oder sagen wir so: Der Preis, den ich für meine erweiterte Freiheit zahle, ist angemessen.

Ich glaube, es ist IN SUMME von Vorteil, wenn man sich dem Alterungsprozess stellt. Man kann ihn sicher hinausschieben, durch Hormone, durch OPs - aber es ist nur ein Verschieben, kein Durchgehen, kein Bewältigen.

Ich möchte gerne soweit kommen, dass ich sagen kann: Ich bin alt und ich sehe mehr Vorteile als Nachteile darin. Oder zumindest eine Ausgewogenheit.

Und das ist aber eine Sache, die im Denken passiert. Ich glaube, dass es eine Entscheidung ist, die man selbst trifft: Wohin lenke ich meinen Focus? Auf die Vorteile oder auf die Nachteile einer Situation?

Wenn ich meine Eltern ansehe, so sind sie heute in vielen Situationen völlig gelassen, wo sie früher Probleme hatten. Sie sind "weise". Sie verschleudern ihre Energie nicht mehr in Dinge, die eigentlich völlig unwichtig sind. Sie genießen das Leben in seiner Essenz, sie genießen jeden Tag.

Wenn ich ich mit ihnen telefoniere, so höre ich meistens nur schöne Dinge: Sie sitzen gerade im Schwimmbecken oder auf der Terrasse beim Kaffee, sie kommen gerade von einem Verwandtenbesuch, meine Mutter sagt sogar so Dinge wie: Fein, heute habe die Bettwäsche gebügelt und mir gehts gut, weil das erledigt ist, nun kann ich in Ruhe lesen. Sogar die Tatsache, dass das Bügeln mühsam geworden ist, bringt ihr ein Erfolgserlebnis, an dem sie sich freuen kann.

Ich glaub, es geht wirklich über den Kopf, es geht darum, WIE man die Dinge sieht.

Nachdenkliche Grüße
Reinfriede
 
Liebe Reinfriede,

Du schreibst mir hier wahrlich aus der Seele.

Auch ich fühle mich jetzt so wirklich frei!!! Die Kinder sind aus dem Haus, mit meinem alternden Körper hab ich kein Problem, weil ich mich nicht mehr dem "Konkurrenzkampf" stellen muß wie in jungen Jahren :D, in meiner Freizeit kann ich machen, was ich will.
Ich kann sonntags bis in die Puppen schlafen :)....

In einem Jahr werde ich 60, und da kommt dann der nächste Schritt, nämlich die Pensionierung. Das wird sicher noch mal eine Herausforderung, aber ich lasse es einfach auf mich zukommen.
Die Rente wird, da ich wegen der 3 Kinder viele Jahre nur Teilzeit gearbeitet habe, nicht weit über der Mindestrente liegen.

Ich habs mit 50 geschafft, als mein Mann und dann mein Sohn starben, noch einmal ein neues Leben zu beginnen, also werde ichs auch jetzt schaffen.

Man wird ja, wenn mans genau nimmt, schon sein ganzes Leben lang auf Abschied eingeschult, man muß es nur erkennen, in sein Leben mit einbinden und nicht verdrängen, wie wir es so gerne machen.

Das ist nicht immer angenehm, aber wir können dieser Tatsache ohnehin nicht ausweichen, dass wir alleine auf diese Erde kommen und auch wieder alleine gehen werden.
Es begleiten uns Menschen auf diesem Wege - die einen länger, die anderen kürzer - aber unseren Weg kann uns kein anderer abnehmen, und es liegt an uns selber, was wir aus diesem Weg machen.

Schönen Sonntag allen
Sandy
 
Liebe Sandy, liebe Reinfriede,

Danke ... für Eure tiefsinnigen Beiträge.

Ich heule im Moment Rotz und Wasser, weil mir das Thema "Abschied" ... meine Mutter ... Kontakprobleme zu meinen Töchtern ... so nahe geht ... und ich finde keinen angemessenen Umgang mit all dem.

Der Verstand ist in die Grube gefallen, und ich würde gerne sagen können, ich fühle mich getragen, wie das so oft der Fall ist, aber im Augenblick schlägt die Vergangenheit mit all meinem Schuldanteil über meinem Kopf zusammen und trifft da auf die Gegenwart.

Sorry für das wirre Geschreibsel.
Ich muss mich fangen.

Liebe Grüße,
Lucille
 
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Liebe Lucille!

DAS wollte ich mit meinem Beitrag nicht auslösen, entschuldige bitte - fühl Dich bitte umarmt. Es tut mir so leid, dass Dich das trifft.

Du hast soviel mitgemacht und soviel Kränkungen erlebt, Du hast jedes Recht der Welt, auch zu trauern.

Liebe Lucille, auch wenns jetzt nach Sprücheklopfen klingt - so ist es definitiv NICHT gemeint:

Die Vergangenheit können wir nicht ändern. Nur die Zukunft.

Du kannst aus den Scherben der Vergangenheit nur einen stabilen Boden für die Zukunft bauen. Es hilft nichts, sie aufsammeln und wieder zusammenzusetzen zu wollen, nimm das Jetzt an, wie es ist.

Der Blick zurück tut fast immer weh und bringt nicht weiter. Das Leben liegt vor Dir, nicht hinter Dir.

Mir geht es oft so, wenn ich meine Bilder aus der Zeit betrachte, als die Kinder noch klein waren - das war der schönste und am tiefsten gehende Abschnitt in meinem Leben. Manchmal möchte ich das Rad der Zeit zurückdrehen, weil ich damals so glücklich war. Es war so intensiv, so nah am Leben.

DIESE Zeit ist vorbei. Andere Zeiten liegen vor mir, ich kann sie nicht mehr herholen. Und sollte auch nicht, denn jedes Alter hat seinen Erfahrungsabschnitt.

Schau nach vorn, Lucille, mach das Beste aus der Situation, DANN hatte alles einen Sinn.

Das Leben stellt Dir Fragen, die es zu beantworten gilt.

Jedes Problem, jede Aufgabe ist eine Frage an Dich, deren Lösung durch Dich die Antwort ans Leben ist.

Und im ganzen Leben kann man nicht mehr tun, als jede Frage bestmöglich zu beantworten, d.h. aus jeder Situation einfach nur das Beste machen - dann sind irgendwann alle Fragen sinnvoll beantwortet.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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