Leben halt

Bright

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5 Februar 2011
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Dumme Überschrift - ich weiß.

Kurz zum Hintergrund:

Es gibt Menschen, die dürfen erfahren, dass Eltern ihre Kinder von Geburt an hassen. Sie nicht akzeptieren. Ihre Persönlichkeit töten möchten. Sie zu etwas machen möchten, was sie nicht sind.

Zu dieser "glücklichen" Sorte Mensch gehöre ich. Meine Eltern hassen mich, meine Verwandschaft gleichfalls, weil ich in die Rolle der Bösen gedrängt wurde. Keine Chance, da die Meinung irgendwie zu ändern.

Ich wurde neben diesem seelischen auch körperlich misshandelt. Schläge, in Schuppen gesperrt werden. Usw. dazu noch Manipulationen hoch was weiß ich nicht. Schuldgefühle. Das ganze Programm, was es wohl so gibt.

Ich bin mit meiner Persönlichkeit halbwegs lebend da raus gekommen. Aber mit sehr starken Verletzungen, die heute noch nachwirken. Ich war und bin zum Glück sehr stark. Heute bin ich eine sehr anstrengende Mischung aus selbstbewusst und verletzlich.

Meine Schwester hat ihre Persönlichkeit eingebüßt.
Mein Bruder erinnert sich an nichts mehr aus seiner Kindheit.

Es gibt Schübe in meinem Leben, da nehme ich Hilfe in Anspruch um irgendwie weiter zu kommen und mich zu entwickeln. Dann entwickele ich mich etwas und stagniere auf diesem Status eine gewisse Zeit, weil ich so dann auch neu leben kann.

Eine große Entwicklung für mich fand statt, als ich nach meiner Entfernung der Gebärmutter vor knapp 14 Jahren den Kontakt zu meinen Eltern abbrach. Meine Mutter erzählte mir - einer Frau mit 35 Jahren, die keine Kinder mehr bekommen konnte - nur von ihrem neuen Enkel. Keine Frage, wie es mir nach diesem Eingriff überhaupt geht. Kein Wunder, nach einer Fehlgeburt unterstellte sie mir ja auch eine Abtreibung.

Ich wollte damals sehen/wissen, wer ich ohne negative Einwirkung meiner Eltern bin. Und? Ich begann den Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Fing an mit anderen zu reden. Das konnte ich bis dato überhaupt nicht.

Natürlich bin ich für meine Verwandschaft noch böser geworden, als ich eh schon war. Vor allem, weil meine Mutter dann starb. Es bedeutete ja nicht, dass ich nie wieder mit ihr gesprochen hätte. Nein, nur brauchte ich ihre Einmischung für eine lange Zeit nicht. Wer konnte denn wissen, dass sie Selbstmord auf raten ausübt. (Diabetis und gefressen wie sonst nichts. Herzmuskelentzündung - nicht behandelt usw. usw. usw.)

Ok, mein Mann lernte mich ganz zu Beginn kennen. Er hielt zu mir und stand auch viel mit mir durch. Ich vertraute ihm bis vor 4 Monaten als einzigem Menschen auf dieser Welt.

Vor 6 Jahren der Einbruch bei ihm. Burn Out. Und ja, ein Burn out ist schlimm. Für den Betroffenen sicherlich schlimmer als für den Partner. Aber auch ich hatte damals mit ihm eine schlimme Zeit.

Heute wirkt der Burn out immer noch nach.

Offene Beziehung seit ca. 1,5 Jahren. Geht von ihm aus. Vor 8 Monaten hatte ich dann jemanden kennen gelernt. Was als reine Sexaffäre begann entwickelte sich dann vor ca. 4 Monaten zu einer Beziehung. Kann man hier nachlesen. Dieser Mann wurde dann der 2. Mensch, dem ich vertraute. Leider versprach er zu viel, was er nicht halten konnte. Für mich kommt bei ihm immer der Spruch in den Sinn: er hat mir einen Rosengarten versprochen und mir die Wüste geschenkt.

Ich war zu diesem Zeitpunkt nach dem letzten großen Scheidepunkt in meinem Leben bei einer Stagnation in meiner Entwicklung. Nun kam dieser Mann. Nein, ich wollte mit ihm nie eine Partnerschaft. Aber ich sah eine andere Möglichkeit, wie Leben sein könnte. Und er gab mir die Sicherheit - irgendwie - mich wieder ins Leben zu trauen.

Und damit beginnt mein Problem heute.

Selbstbewusst und verletzlich. Extrem verletzlich. Extrem verletzt bis in den Kern des seins. Mit einer Wut die extrem ist. Selbsthass inklusive. Nicht zu wissen, wer man ist. Einfach, weil man nie man selbst sein durfte. Das bin ich. Soziale Defizite, weil es nie soziale Kontakte gab. Und wenn? Dann wurde ich gemobbt, verletzt, ausgenutzt, verprügelt, verhöhnt. Nie etwas positives. Nie in meinem Leben.

Nun kam dieser andere Mann. Und bei all seinen Fehlern - und die hatte er - ich glaube auch heute daran, dass er mich gemocht hat. Vielleicht auch geliebt. Daran habe ich irgendwie nie gezweifelt. Mein Mann? Der fragt, was Liebe ist. Ich vertraue ihm aber, dass er letztendlich für mich da ist.

Also traute ich mich vor 3 Monaten wieder unter Menschen. Und lernte einiges.

Zum einen lernte ich einen Mann kennen (bisher sind es an sozialen Kontakten Männer, aber auch die sind Menschen - also bitte nicht bewerten - danke), der der Meinung ist, ich gehöre auf die Bühne als Geschichtenerzähler. Er erklärte mir, wir seien Seelenverwandte. Der Kontakt zu ihm? Schwierig für meine Begriffe. Aber es ist geklärt, dass weder ich noch er sexuelles Interesse aneinander haben. Das ist sehr erfrischend. Wir kennen uns seit ca. 7 Wochen und irgendwie ist es auf einer Seite sehr intensiv - aber er ärgert mich auch sehr. Frage mal hier: warum miteinander schwimmen gehen, wenn man sich mit dem anderen nicht unterhalten will? Ich meine, 2.000 m kann Mann auch schwimmen, wenn er keine Begleitung hat. Oder? Versteht er nicht.

Dann schließe ich mich Karaoke an. Und - viele werden es nicht verstehen - ich werde angeschrieben, ob ich beim nächsten Mal wieder mitkomme. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass jemand danach fragt, ob ich mit kommen möchte.

Ich bin bei einem Coach/Lebensberater. Dem gab ich mal eine Geschichte von mir zum lesen. Ich hatte mal versucht meine Wut loszuschreiben. Meine Peiniger darf ich nicht im realen Leben töten. Aber in meiner Phantasie kann ich sie so häufig töten wie ich es will. Und ich begann mit einem. Danach war meine Wut etwas weniger. Der Coach findet nun, dass ich zum Schreiben Talent hätte. Ich sollte damit was beginnen.

Ok, nun finde ich mich neu. Lerne das Laufen.

Wer bin ich ohne die negative Einmischung meiner Erzeuger?

Und das wird schwer für mich. Mit meiner Verletzung. Mit meinem Schmerz. Ich, die hinter einer Mauer leben muss, damit der Schmerz erträglich wird. Damit keine neue Verletzung hinzu kommt.

Laut Coach bin ich sehr warmherzig, sehr offen, den Menschen sehr zugeneigt.

ABER - wenn ich diese Eigenschaften zulasse, werde ich wieder verletzbar.

Und ich muss lernen, dass ich auch mal nehme, nicht nur gebe.

Nun habe ich vom Coach die Aufgabe eines Projektes bekommen. Denke mal, dass soll mich etwas vom grübeln ablenken. Auch die Chance bieten, über so ein Projekt die Menschen zu finden, die zu mir passen.

Das nächste Problem? Mein Mann nun. Der seit dem Burn out relativ antriebslos geworden ist.

Wir führen seit 15 Jahren eine Wochenendehe. Ist schon schwer genug. Er verdient das Geld. Ob ich was dazu verdiene oder nicht ist letztendlich peng. Egal. Mit dem, was ich in der Lage wäre zu verdienen, könnten wir unseren Lebensstandard nicht halten. Also habe ich irgendwann aufgegeben. Wenn es eh egal ist, dann tue ich halt nichts.

Seit dem Burn out nun? Zum einen kocht es häufig genug hoch, dass er sich überfordert fühlt. Er will seinen scheiß Luxuswagen behalten, aber das Haus wird verkauft, weil er sich dafür nicht krumm arbeiten will. Den Wagen braucht er um von A nach B zu kommen, während er das Haus nur am Wochenende sieht. Also ist ein Auto im Wert von 80.000 EUR netto wichtiger als ein Haus. Peng. Ich habe dann keine Entscheidung darüber. Er ist der Verdiener und er entscheidet. Er entscheidet in seiner Firma und über seine Betriebsmittel.

Dann Eheleben? Ok, er hat einen stressigen Job. Am Wochenende sitzt er nur zu Hause vor dem Fernseher und schaut Serien. Für mich, die bis vor 4 Monaten nicht raus ging, kein Problem. Hockte ich halt auch davor. Nun aber sah ich eine andere Möglichkeit wie ein Leben sein kann. Und ich gehe raus. Nein, mit dem Menschen, der ich heute bin, mit diesem Menschen kann er nichts anfangen. Ich sei 0815 wie jeder andere Mensch. Auf die Frage, ob ich wieder krank werden sollte, damit ich die alte bin? Kam keine Antwort. Er führt sogar eine Liste, wann ich am WE raus war. Mein Vorschlag? Dass wir mal als Paar was gemeinsam unternähmen? Auch damit wir mal Paarzeit hätten? Ob denn Essen gehen zum Mittagstisch beim Steakhouse kein Ausgehen wäre? Was soll ich dazu sagen?
 
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So, ich habe nun zum einen diese Schieflage in der Entscheidung, was er finanziell plant und was nicht, denn er verdient ja das Geld. Denn er hatte ja den Burn out. Denn er trägt die Verantwortung. Denn er trägt ja die Last. Ich muss all dem folgen, was er dann für notwendig hält. Auf Augenhöhe empfinde ich das nun gar nicht mehr.

Dann soll ich mir einen Job suchen. Werde dann aber irgendwie platt gemacht, dass ich selbst mit Job irgendwo kein Mitspracherecht habe, weil ich ja den Lebenstandard nicht halten kann.

Und noch was? Ich habe Probleme mit Autoritäten. Deshalb verliere ich schnell Jobs. Seine Meinung? Ob ich denn glaubte, nur weil ich sozial angepasst und 0815 würde, ob ich dann glaubte, auch dieses in den Griff zu bekommen? Er glaubte nicht. Ich würde immer noch jeden Job schneller verlieren als ihn gewonnen zu haben.

Der Coach mit dem ich das durchsprach? Irgendetwas von Wohlfühlzone. Tja, anscheinend ist es für meinen Mann von Vorteil, wenn ich sozial und finanziell von ihm abhängig bin. Ich befinde mich aber selbst noch in der Phase, wo ich mit meinem Mann noch reden und eine Lösung finden will.

Ehemann nun? Ob ich und der Coach schon mal was von konstruktiver Kritik gehört hätten? Ob er mich denn anlügen sollte? Ich kenne doch meine Persönlichkeit und weiß dass er recht hat. Nur Kritik an ihm äußern wäre ja einfach. Ich sollte doch mal erklären, wie ich mir vorstelle, wie er mich in meinen Augen unterstützen könnte.

Ach ja Haus. Wir haben es vor 7 Jahren gekauft. In diesen 7 Jahren wollte er es an die 7 x verkaufen. Nun droht eine Steuernachzahlung aufgrund einer Betriebsprüfung. Nun habe ich einfach den Markler beauftragt, das Haus zu verkaufen. Mir reichte es. Ehemann hat eine Liste bekommen wonach er schauen kann, wenn er sein 80.000 EUR Auto mit 1 % Regelung behält, dass das Haus dann nicht haltbar ist.

Und ehrlich? Wird das Haus verkauft ist im Grunde unser Vermögen aufgeteilt.

Nein, auch das passt ihm nun nicht.

Keine Ahnung, was ich tun soll.

Nur, dass ich mich finden muss. Ich muss es schaffen, auf eigenen Beinen zu stehen. Sozial und finanziell. Schauen, wer ich bin. Vertrauen erlernen, dass nicht alle Menschen mich verletzten wollen. Vielleicht auch, damit ich der Mensch sein kann, der ich anscheinend bin. Nicht der schwarz gekleidete Mensch, der nach außen unnahbar wirkt. Veilleicht der Mensch, der da auch hindurch scheint.

Der eine Mann, diese eine Affäre brauchte mich. Auch dieser andere Mann/Mensch, den ich seit 7 Wochen kenne. Bei ihm habe ich auch das Gefühl, er braucht mich irgendwie. Anscheinend habe ich viel zu geben.

Leben. Und laufen lernen. Hinfallen und sich verletzten. Für Kinder einfach. Was aber für einen Menschen, der so verletzt ist, wie sich es sich hier viele nicht mal im schlimmsten Alptraum vorstellen können?
 
Mal eine Frage: kennt jemand therapheutische Märchenerzähler?

Es gibt da auch "Ausbildungen".

Nach meinem Coach arbeiten Menschen mit meinem Hintergrund später sehr häufig mit Kindern zusammen. Kinder sind meistens fasziniert von mir.

Über Gedanken in diese Richtung wäre ich dankbar. :)
 
Hallo Bright,

in deinem Leben passiert ja z. Z. sehr viel. Da kann ich gut verstehen, dass du deine Gefühle gerne in Worte fassen möchtest. Mir hilft das Schreiben auch sehr oft.

Was ich aber gar nicht verstehe ist, weshalb du deine Geschichte nun noch einmal in einem anderen, neuen (3.) Thread erzählst.
 
therapheutische Märchenerzähler?
dann denke ich nicht, dass man mit den Kindern arbeiten sollte, wenn man psychische Probleme, unverarbeitete Kindestraumata
 
Traumata? eher nein. Laut meinem Psychologen sind Menschen wie ich sehr häufig in der Arbeit mit Kindern anzutreffen. Und Märchenerzähler? Hat erst mal nichts mit Arbeit mit Kindern zu tun.
 
Geboren um getötet zu werden


Zeit heilt alle Wunden – so heißt es. Vielleicht stimmt es. Vielleicht gibt es in der Zeit versteckt einen Ort wo sie leben – die Heiler der Wunden. Wäre ein schöner Gedanke. Tröstlich. Wenn auch utopisch. Nehmen wir an, wir, die verletzt wurden, es gäbe diesen Ort. Wie sähe er aus? Wie wäre er? Wo wäre er? Wann wäre er?


Der Mensch sitzt hier an einem kalten Morgen nach einer schlimmen Nacht. Einer Nacht mit neuen Wunden auf seiner Seele. Die Welt draußen zeigt sich grau in grau. Wind peitscht die blattlosen Bäume. Lässt ihre kargen Äste um Hilfe schreien. Das grün der Wiesen grau im grau dieses Tages. Der Himmel trostlos. So, wie er sich fühlt. Der Kamin neben ihm gibt seine Wärme in den Raum. Eine Wärme, die ihn nicht erreicht. Knochenkälte. Totenstarre. Nichts kann ihn erreichen. Er ist im Nichts der Hölle seines Lebens.


Zeit heilt alle Wunden – sagte man ihm. Er sollte das – was ihm angetan wurde – vergessen. Kann man Wunden vergessen? Kann man Wut effektiv verleugnen. Hass ignorieren. Hass auf sich selbst? Sein Ich sagt nein. Schreit es ihm des Nachts in seinen Alpträumen entgegen. Nein, weder vergessen, noch verdrängen. Es ist da. Immer. Ewiglich.


Der Kaffee in seiner Hand wird kalt. Passt sich dem an, was er im Innersten fühlt. Das Rot des Feuers die einzige Farbe an diesem grauen Tag. So rot wie Wut. Der Ruß der Scheibe so schwarz wie Hass. Die Glut so pulsierend wie die Wunde aus der sein innerstes besteht. So schmerzhaft bei Berührung. Kalter Kaffee im Mund. Bitter schmeckend – wie das Leben selbst. Der Schmerz kommt. Wellenartig. Überrollt ihn. Nimmt ihn mit. In die Tiefe. Spiralenartig. Wo wird er heute stoppen. An welchem Alter der Zeit? An welchem Alter seiner Verletzung? Es geht bergab – der Schmerz trägt ihn auf warmen Händen in die Hölle seiner selbst hinab. Er stürzt und schreit ungehört.


Die Welt draußen ist blau. Blau ist eine schöne Farbe. Beruhigend. Kalt aber schön. Der Himmel lichtblau mit rosa Einschlägen einer rotglühenden Sonne welche beruhigend am Himmel hängt. Die Luft klar und würzig. Warm ist es. Genügend um Knochenkälte vertreiben zu können. Weite Felder dunkelblauer Blumen wiegen sich im leichten Wind. Grüne Stängel, blaue Blüten. Ein Meer an Pflanzen. Wellenartig geht der Wind.


Große Bäume überragen inselartig dieses Meer an Blau. Breite Stämme – ausladende Äste mit satten grünen Blättern. Es rauscht fährt der Wind hindurch. Schattenspiele im Sonnenschein. Die Felder getrennt durch Mauern aus Naturstein. Strahlend weiß. Ein Weg führt an der Mauer vorbei. Schmal aber breit genug bequem darauf laufen zu können. Dem Weg mit den Augen folgend sehen wir das Gebäude. In Ermangelung eines anderen Ausdrucks müssen wir es so nennen. Es ist organisch. Kein totes Haus aus Stein. Es lebt – das fühlen wir. Pulsiert. Leuchtet in dieser schon hellen strahlenden Welt. Summt sein Lied – untermalt damit das Hohelied der blauen Felder im wogenden Wind – unterstützt das Rauschen der Blätter in den Ästen. Eine Sinfonie von unermesslicher Reinheit. So strahlend wie diese Welt selbst. So zeitlos wie dieser Ort zu sein scheint.


Die Räume in diesem Gebäude sind lebendig. Irgendwie. Wie sollte etwas in etwas was organisch ist tot sein können? Die Wände atmen. Geben ihre Wärme an Leben ab. Erstrahlen in ihrem Licht an Gnade. Alles in allem könnte man hier, wäre man hier, Geborgenheit empfinden. Nichts ist hier was einem wehtun könnte. Keine Verletzungsgefahr. Und hier sind sie – wären es sie – gäbe es sie – die Heiler der Zeit. Menschliche Gestalt – groß – zart – großherzig. Hände zart und hart zugleich. Augen die sehen was wichtig ist. Münder die sprechen was nötig ist. Seelen die fühlen was zu fühlen ist.


Augen – die nun auf etwas ruhen – was vor ihnen auf einer Art Bett liegt. Gepanzert. Zerschunden. Beschmutzt. Zusammengekauert. Vor Angst schreiend. Vor Schmerzen zitternd. Der Kopf gesenkt – darauf wartend – dass der nächste Schlag kommt. Bereit sich zu wehren – davor – getötet zu werden. Das zu schützen – was noch da ist von dem selbst. Diesen kleinen kläglichen Rest dessen was es hätte sein können. Diesem Rest was hinter der Panzerung dahin vegetiert. Diesem Rest eines Menschen. Diesem Rest dessen was eine Person – eine Seele war. Dem Traum einer Möglichkeit was es hätte werden können – bevor der Mord begann. Der Mord an einer Seele.


Augen die sehen. Hände die fühlen. Münder die reden was notwendig ist. Seelen die fühlen was zu fühlen ist. So stehen die zwei Heiler der Zeit vor diesem Trümmerfeld an menschlichem Leben. Vor dem, was nach zigfacher Tötung noch übrig geblieben ist an Person. An Mensch. An Leben. Sehen die zerschundene Panzerung. Sehen das Meer an Schmerz hinter dieser. Erkennen, dass selbst die Panzerung nicht vor erneuten Schmerzen, erneuten Verletzungen hat helfen können. Tiefe Dellen, scharfe Kerben zeugen von der Wut des Lebens auf dieses Leben. Vom Hass welchem diesem Leben entgegen geschleudert wurde. Hass, Verachtung und Misshandlung. Ein Leben welches für die Erzeuger dieses Lebens nicht bedeutsam war. Eine Seele die ausgelöscht werden sollte, weil sie nicht genügte. Nicht passend war.


Selbst hier an diesem Ort des Lebens – gäbe es ihn – hallen die Schreie des Schmerzes durch die lebendigen heilenden Hallen des Organismus. Ohren die hören was wichtig ist erfahren den Schmerz. Fühlen ihn. Empfinden ihn. Was ist - fragt der jünger aussehende Heiler – diesem Menschen passiert? Der ältere zuckt mit den Schultern. Dieser Mensch – er schluckt etwas – ist in den Augen der anderen nicht wert. Dieser Mensch wurde geboren um getötet zu werden. Jeden Tag aufs Neue. Immer und immer wieder. Der wer er war, der der er hätte sein können. So lange bis nur noch dieses Trümmerfeld an Schmerz übrig blieb. Bis nur noch eine Ahnung dessen zu erkennen ist, wer er hätte sein können.


Wie um die Worte zu unterstreichen erscheint wie eine Essenz ein Bild eines strahlenden Menschen. Fröhlich ist er. Nicht zusammengekauert. Lachend sein Gesicht – dort wo man unter diesem Bild nur von Schmerzen verzerrte Gesichtszüge erkennt. Offen sein Geist – wo die Wirklichkeit eine Mauer zeigt hinter der sich der kärgliche Rest einer Seele verbirgt. Dieses Bild zeigt die Möglichkeit die hätte sein können. Das was hätte Wirklichkeit werden können. Geschichten die nun nie geschrieben werden – weil der Geist dieses Menschen gebrochen wurde. Gedanken – die nie gedacht werden – weil er tot ist. Lieder – die nie gesungen werden – weil er stumm gemacht wurde. Lachen welches nie diesen Mund verlässt – weil er mit Schmerzen gefüllt ist.


Zeit heilt alle Wunden – heißt es. Diese Heiler der Zeit stehen vor dem Trümmerfeld eines Lebens. Eines zerbrochenen getöteten Lebens. Gibt es – der jüngere der beiden wieder – etwas was wir für ihn tun können? Der Ältere denkt nach. Schüttelt leise den Kopf. Nein – erklärt er traurig – nicht ihm. Nicht diesem Menschen. Oder nur sehr wenig.


Hände zart aber fest zugreifend – berühren den Panzer. Entfernen die schlimmsten Dellen und Kerben – damit zumindest der Panzer nicht mehr schmerzt. Mehr – der jüngere wieder – können wir wirklich nicht tun? Augen die sehen was wichtig ist sind auf diese zerstörte Möglichkeit eines Lebens gerichtet. Der Ältere schüttelt den Kopf. Leider – seine Stimme sanft – können wir nicht mehr tun. Wir können keine Toten zum Leben erwecken. Zumindest wird er nun Ruhe haben. Etwas Linderung in seinem Schmerz. Und ich denke das wird ihm reichen.


Die Welt ist grau in grau. Der Wind tost in blattlosen Ästen. Der Kamin bollert seine Wärme in den Raum. Kalter Kaffee in dem vor Schmerz schreienden Mund fühlt sich bitter an. So bitter wie das Leben selbst. Das was hätte sein können – dieser Traum – dieser Mensch – das er – ist hier. Im Jetzt der Zeit. Spiralenartig im Schmerz der Vergangenheit verwurzelt. 25 Jahre Schmerzen ist er hinabgesaust. Es ginge tiefer. Viel tiefer. Hinab in den ältesten Schmerz. Schmerzen, die vergessen wurden. Verbannt wurden aus dem Geist. Der Druck von außen lässt nach. So als ob jemand oder etwas den Panzer, der ihn umgibt repariert hätte. Die Löcher gestopft. Die Dellen die auf sein Innerstes drücken entfernt hätte.


Der letzte Schrei entfährt seinem Mund. Die letzte Träne seinen Augen. Der Traum dessen was er hätte sein können, dieser Möglichkeit an Sein krümmt sich hinter der Panzerung zusammen. Dort, wo der Schmerz wohnt. Aber zumindest konnten sie diesen letzten Rest dessen was er war – dessen was er ist – diesen letzten Traum dessen was er an Seele hat – nicht töten.


Er ist der Mensch, der geboren wurde um getötet zu werden. Wie viele andere Leben. Kinder, die geboren werden um misshandelt zu werden. Kinder die missbraucht werden. Leben geboren um zerstört zu werden. Nein – die Zeit heilt nicht alle Wunden. Das weiß ich und das weiß dieser Mensch. Und genauso wissen wir – es gibt Leben – die geboren werden um zerstört zu werden. Zeit heilt nicht die Wunden – aber ihr die ihr da draußen seid – seid achtsam. Ihr – die sehen könnt – versucht es – zu sehen. Zu fühlen. Zu spüren. Wann ein Leben getötet wird. Ihr könntet es retten, wenn ihr seht. Vielleicht seid ihr die Heiler der Zeit? Ich wünsche es mir für jedes Kind, welches von heute an noch geboren wird um getötet zu werden. Für jede Möglichkeit eines Lebens. Für jeden Traum einer Möglichkeit die der Beginn eines Lebens für uns alle bereithält.


Wir sind die, die geboren wurden um getötet zu werden.
 
Liebe Bright,

wenn ich in deine Kurzgeschichte so hineinlese, ist es ja gut, dass du sie nicht Kindern vortragen möchtest...

Ich habe deine Frage übrigens genauso wie Buschemi verstanden.

Du gibst mir zwar meistens keine Antwort, trotzdem möchte ich dir vorschlagen, deine Kurzgeschichte eventuell in einem anderen Forum zu posten. Es gibt ja einige, die darauf spezialisiert sind. Ich denke, hier findest du nicht das "Publikum" dafür. Dort würdest du eventuell konstruktive Kritik bekommen und so wissen, ob deine Geschichten bei den Lesern ankommen oder eher nicht.

Eine Frage habe ich noch an dich. Wenn du von deinem "Coach" sprichst, was meinst du dann damit?
 
Liebe Bright

Ich habe interessiert das letzte Posting durchgelesen. Es erinnert mich auch an Gedanken, die ich, wenn auch selten aber doch, gelegentlich niederschrieb.Die Auseinandersetzung mit dem Spruch Zeit halt alle Wunden inspiriert an dieser Stelle auch mich.

Was bedeutet dieser Spruch und kann man diesen eins zu eins im Leben so einfach anwenden? Dieser Spruch hat allerlei Deutungen für mich in Sinn. In meiner Inneren Welt würde ich eher sagen, die Zeit zeigt Wege um damit umzugehen. Manche Ereignisse im Leben haben tiefgreifende Wirkung. Die Zeit bringt Wege mit sich, die es zeigt, zB mit Schmerz, sei es Verlust, Krankheit wieder so umzugehen um das Leben annehmen zu können.

Vielleicht könnte man sagen, die Zeit lässt das Leben wieder annehmen, es zeigt Wege um mit Ereignissen umgehen zu können. Doch nun am Anfang deines Postings dein Satz, wir die Verletzten, dass wäre wohl alle Welt, zumindest kenne ich niemand der sich noch nie seelisch verletzt gefühlt hat.

Die Zeit heilt alle Wunden würde ich insgesamt an verschiedenen Stellen ausbauen, zB muss eine seelische Wunde nicht bedeuten dauernd seelischen Schmerz zu empfinden es kann auch Folgen haben, die auf anders denkende Wege führen, die sogar dich stärker machen und nicht unbedingt härter.

Ich finde es eine gute Sache einfach seine Empfindungen niederzuschreiben und persönliche Erkenntnis und Philosophie zu finden.
In diesem Sinne
alles Liebe
Ritter Omlett
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Coach ist mein Psychologe - bzw. was man heute wohl auch als Psychologen bezeichnet. Es gibt da ja große Unterschiede. Auf seiner Internetseite steht Coach - daher übernehme ich diese Bezeichnung. Laut ihm bin ich gesund und stark genug - um seine Hilfe im Grunde nicht mehr in Anspruch nehmen zu müssen.

Geschichte: ich hatte sie hier nicht wegen konstruktiver Kritik gepostet. Von einem meiner bekannten bekam ich zu hören, ich sei absolut depressiv, hätte ereignisse aus meiner Jugend nicht verarbeitet. Nun sagt die Psychologie: das was der beurteilende über den zu beurteilenden sagt, sagt mehr über den beurteilenden aus als über den zu beurteilenden.

Mein Coach/Psychologe lachte als ich ihm das erzählte. Nein, ich sei viel zu stark um halbwegs depressiv zu sein.

Warum die Geschichte hier posten?

Diese Geschichte ist nicht zu 100 % autobiografisch. Hat aber autobiografische Züge. So ungefähr fühlte ich mich noch bis vor 30 Jahren. Heute erscheine ich den Menschen da draußen normal. Ich gehe raus. Zwar immer noch sehr verletzlich, aber dort, wo diese Person in der Erzählung einen Panzer brauchte, habe ich heute eine sehr dünne Haut. Sehr dünn und sehr verletzlich, aber die Verletzung liegt nicht mehr offen. Und mit jedem tag, den ich da draußen positives erlebe - wird sie etwas fester - schützt mein Innerstes. Je mehr - desto weniger brauche ich meine Mauer.

Diese Geschichte ist hier, weil ich gerne zum teil Mut machen möchte, dass man sich auch aus so etwas entwickeln kann. Zum anderen, dass Menschen aufwachen und achtsam sind. aufeinander aufpassen. vor allem auf Kinder. Kinder können sich nicht schützen. Sie sind zu schwach. daher ist dies unsere aufgabe. Wir, die wir vielleicht dann die Heiler der Zeit sind.

Ich schreibe geschichten - und sie kommen häufig gut an. vor allem, wenn ich sie erzähle.

thema mal hier gewesen - warum ich auf die bühne gehen könnte, wenn ich angst vor Menschen hätte. das passte ja gar nicht. Ich habe einen schauspieler kennen gelernt. Und ihm ergeht es genau so, seinem Kollegen auch. Nein, da gibt es keine diskrepanz.

so, ich versuche nun draußen in der welt weiter das laufen zu lernen. versuche mich zu entwickeln. Und vielleicht gibt es jemanden Hoffnung, dass sich jemand aus dem was zu lesen war heute in der welt bewegen kann.

das war es erst mal. :) Danke für das Lesen und die gedanken. Ich habe sie mir angenommen.
 
Hier widerspreche ich deinem 'Psychologen'. Starke Menschen können sehr wohl depressiv sein. Die Depression ist eine Erkrankung, kein Zeichen von Schwäche.

Und zu deiner Geschichte: Sie klingt für mich nicht aufbauend. Im Gegenteil. Sie klingt verstörend. Wenn du Kritik nicht vertragen kannst, dann wirst du auf einer Bühne niemals bestehen können. Denn da hagelt es bekanntlich nicht nur gute von ebensolchen. Das weiß dein Freund, der Schauspieler sicher auch. Frag ihn mal.

Wenn du trotzdem meinst, du gehörst mit deinen Geschichten an die Öffentlichkeit - dann musst du das machen. Ich finde es immer bemerkenswert, wenn Menschen über ihren Schatten springen und über sich hinauswachsen.

Ich wünsche dir wirklich, dass du eines Tages nicht nur über deine neugeborene oder entwickelte Stärke schreibst und dich schilderst, wie du dich gerne siehst, sondern diese Worte auch in Taten umsetzt. Denn das würde dir sicher sehr gut tun.

Alles Gute wünsche ich dir!
 
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Hallo Bright


Der Grad der depressiven Phasen und Intensität bestimmt die die Stärke der Erkrankung.
Hm, ... aufschlussreich ..... naja?

Ich betreue einen älteren, kranken Herrn der manchmal von kurzen Depressionsphasen gebeutelt wird.
Naja, und als Laie ist man halt oftmals überfordert und weiß zu wenig über diese Erkrankung.

Und so kam‘s; - die neurologische Abteilung unseres Krankenhauses veranstaltet entsprechende Seminare (ich würde dies eher einen kleinen Kursus bezeichnen) und da wollte ich einfach hin.

Täte ich behaupten, dass ich allen Ausführungen zu 100 Prozent folgen konnte, dann würde ich lügen.
Aber deine Hinwendung zum Psychologen ist allemal richtig und absolut wichtig.

Doch braucht nicht der Psychologe sondern vor allem Du ausreichend Geduld.

Und genau das wünsche ich Dir!


lg martin040
 
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