Punkt für dich liebe Clara! Ein gutes Statement, finde ich.
Du schreibst aus eigener Erfahrung, dass man ständig gegen Windmühlen kämpfen muss. Genau diese Windmühlen sind es aber auch, die es mich verstehen lassen, warum man vllt. politikverdrossen wird.
Ein damaliger Politik-Lehrer drückte das mit dem Übel etwas anders aus "Zur Zeit hat man ja nur die Wahl zwischen Durchfall und Verstopfung", womit er darauf anspielen wollte, dass die eine Partei zu Schnellschüssen neigt und die andere Partei Entscheidungen hinauszögert.
Das mit der "guten Politik" ist natürlich so eine Sache, wozu mir spontan der Vergleich mit Internethändlern einfiel.
Solange alles gut läuft ist es ok, es reicht bei 100 guten Transaktionen aber schon eine einzige die schlecht lief und ihm wird das Vertrauen entzogen.
Ich bestelle zum Beispiel nicht mehr bei einem Händler, mit dem ich bereits schlechte Erfahrungen gemacht habe. Kenne ich einen Händler nicht, so sehe ich von einer Bestellung ab, wo die Anzahl positiver Bewertungen unter 93% liegt (wobei eigentlich 89% auch schon gut sind).
Wird das im politischen Bereich nicht ähnlich gesehen!?
Um mich einer deiner Aussagen anzuschließen: Mir gefällt die Arbeit des Finanzministers - obwohl ich ihn weder gewählt habe, noch wählen würde. Vom Gefühl her finde ich, dass er das ganz gut macht (soweit ich es eben beurteilen kann).
Dennoch gibt es viele Situationen wo ich mich frage, ob das jetzt wirklich sein muss ... so wie du es schon mit der "Durchsetzung der Koalitionsvereinbarung" andeutest.
Anfang des Jahres habe ich bei uns im Ort an einer öffentlichen Sitzung teilgenommen.
Dort ging es hauptsächlich um den Bau einer Umgehungsstraße nahe der Ortschaft, den ein großer Teil der Anwohner nicht befürwortet. Gemunkelt wird eher, dass Druck vom Land ausgeübt wird, damit die zu vollen Autobahnabschnitte aus der Umgebung entlastet werden.
Das Thema Umgehungsstraße kommt seit 30 Jahren alle 10 Jahre ans Licht, diese Windmühlen sind hartnäckig. Und jedes mal gehen die Leute auf die Straße, es gibt Demos, es werden Unterschriften gesammelt, und und und.
Wenn es jetzt nicht durchgedrückt werden kann, wird vermutlich in 10 Jahren das Ganze wieder von vorne losgehen.
Das Verhalten des Vorsitzenden (SPD) war "naja". Redner wurden unterbrochen, auf bestimmte Fragen gar nicht eingegangen, Argumente ignoriert, teilweise vertröstet. Das Gleiche aber auch mit Mitgliedern der anderen Parteien (Die Grünen und Bürgerblock). Getreu dem Motto "die Anderen haben eh keine Ahnung und sie schon gar nicht". Die Worte fielen zwar nicht, aber so kam es mir vor.
Insgesamt machte es den Eindruck, dass der Beschluss eigentlich schon fest steht und die Versammlung nur noch den Anschein wahren soll.
Eines der ignorierten Argumente war unter anderem die Tatsache, dass unter den Straßen noch alte Kohleschächte verlaufen. Vor kurzem wurde erst ein Teilstück auf der noch vorhandenen Straße repariert, da sich ein kleines Loch mitten in die Straße gerissen hatte.
Dass die Straße durch ein Naturschutzgebiet geführt werden soll und eine fette Straße an Schulen und Kindergarten vorbeiführen würde, käme noch zusätzlich hinzu.
Weswegen ich aber eigentlich darauf komme!! Es ging in der Versammlung auch um den Verkauf eines Grundstücks, auf dem ein Spielplatz steht. Ein Familienvater wollte dazu etwas sagen, war aber einer derjenigen, den man gar nicht richtig hat aussprechen oder argumentieren lassen. In einem Schnellverfahren wurde beschlossen, dass der Spielplatz aufgelöst und das Grundstück verkauft werden soll.
Jetzt ein kleiner Schwenk zum Thema Korruption: Der Beschluss wurde mehrheitlich durch SPD und CDU befürwortet. Die meisten Grundstücke werden bei uns durch Sparkasse und Volksbank verkauft ... die SPD hat einen Vertreter der Sparkasse im Rat sitzen und die CDU einen Vertreter von der Volksbank. Da es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt ist es doch klar, dass sich die Leute ihren Teil dabei denken ... egal ob wirklich Korruption vorliegt oder nicht.
Dies war meiner Meinung nach eine Sache auf kommunaler Ebene, wie sieht es aber aus, wenn es um Landes-, Bundes- oder Europapolitik geht?
Vor ein oder zwei Jahren hat es ein Vorschlag immerhin bis in die Abstimmungsphase des Europaparlaments geschafft, ob der Salzgehalt im Brot vorgeschrieben werden muss ...
Es gibt eben viele Punkte, wo ich absolut verstehen kann, dass jemand solche Sprüche macht "Man kann sich nur auswählen welches Übel man wählt".
Klar kann man es nie allen Recht machen, dennoch finde ich, sollte man sich zumindest ein gewisses authentisches Verhalten bewahren.
Ist doch klar, dass einige Dinge sauer aufstoßen:
- Klassisches Beispiel:
Diäten erhöhen während man alle anderen zum Sparen aufruft und gewisse Lohnerhöhungen durch gerichtliche Beschlüsse durchgeboxt werden müssen.
In Schleswig-Holstein ermöglicht das Land sogar, dass Tarifverträge von Krankenschwestern gekündigt werden können und die Angestellten weniger bekommen als vorher ... die Details kenne ich leider nicht, vertraue meiner Schwester in der Hinsicht aber, wenn sie mir das erzählt.
- Vorbestrafte zum Justizminister ernennen oder anderen vorbestraften Politikern das Bundesverdienstkreuz verleihen.
- Gesetze beschließen die sich für bestimmte Unternehmensgruppen positiv auswirken und nach der Amtszeit in ein solches Unternehmen wechseln
- Beschlüsse die auf breiten Widerstand stoßen einfach durch die Hintertür genehmigen oder dem Kind einfach einen neuen Namen geben und es erneut versuchen
Ich stimme dir absolut zu, dass man in einer Demokratie wesentlich mehr machen kann und vielleicht sogar sollte.
In einer parlamentarischen Demokratie sein Mitwirken über die Wahl selbst auszuüben, finde ich jedoch durchaus legitim ... egal ob es noch Alternativen gibt oder eben nicht.
Natürlich hast du damit Recht, wenn du schreibst dass man durchaus mehr machen könnte! Dennoch habe ich absolut Verständnis dafür, wenn solche Kommentare abgelassen werden.
Lieben Gruß
Sebastian