Auf Thema antworten

An NIKI


Hallo Niki,

mein Name ist Karin und ich bis erst seit heute in diesem Forum (zufällige

Landung!).


Ich komme mir fast wie ein Eindringling vor ... aber das Risiko muss ich

eingehen, denn ich möchte lediglich eine (eigene) Erfahrung an dich

weitergeben.


Zitat von Chira, sprich Kronenzeitung:


Keiner, der nichts mit seinem Glück anzufangen weiss, darf

sich beklagen, wenn es ihn im Stich lässt


So IST es, Niki.


Ich kann deinen Zwiespalt sehr gut verstehen und auch das, was du

gefühlsmässig durchmachst.


Ich selbst bin letztes Jahr geschieden (worden) nach 22 Jahren Ehe (3 Kinder im Alter von 24, 13 und 10 Jahren). Mein Ex-Mann hatte jahrelang eine heimliche Beziehung zu seiner Mitarbeiterin, hatte ihr von Anfang an die Ehe

versprochen. Es war genau so wie Chira (oder Mimi?) es gesagt hat: die

Dramatik beginnt, wenn die Mitbetroffenen Bescheid wissen. Und erfahren

habe ich es erst nach 3 Jahren. (Ziemlich dumm und blöd, ich weiss, aber

so war es).

Mein Mann hat auch so argumentiert, sodass er mit seiner Entscheidung

leben konnte:

-  nur wegen der Kinder zusammenbleiben - niemals, das sei nicht

   förderlich, wenn die Eltern unglücklich sind.

-  Kinder registrieren das gar nicht, wenn man es dann "richtig" macht

-  egal was passiert, wir bleiben immer die Eltern

-  Kinder gewöhnen sich an alles

-  er liebe mich eben nicht mehr, er kann gegen die Liebe zu der anderen

   Frau nicht ankämpfen, er kann seine "Seele nicht verkaufen" -was auch

   immer das hieß

-  es würde eine "win/win"-Situation sein, bei der alle profitieren würden:

   >    er von der Erfüllung seiner neuen Liebe

   >    ich von der Freiheit (die ich ja gar nicht wollte!)

   >    die Kinder von glücklichen Eltern


So viel zur Theorie im Vorfeld. Natürlich gibt es zu dieser ganzen häßlichen

Story eine lange Vorgeschichte, aber das würde hier zu weit führen. Es hat

auch zu tun mit verworrenen Besitzverhältnissen, das Haus gehört ihm, und

aus der "fairen Scheidung", von der er immer gesprochen hatte, wurde ein

verletzender Rosenkrieg (fast 3 Jahre lang), der mich psychisch so

mitgenommen hat, dass ich so gut wie zerbrochen bin daran. Die Kinder,

zumindest die beiden kleineren, sind bei ihm geblieben, sind restlos gegen

mich aufgehetzt und kennen mich nicht mehr. Der Schmerz darüber nimmt

mir die Luft zum Atmen.

Ich sehe (also ich meine wirklich nur "sehe") die Kinder oft. Und ein Blick

in ihre Augen sagt mehr als tausend Worte: sie sind so verletzt und

traurig, dass ich weiss, dass sie für den Rest ihres Lebens darunter

leiden werden.


Jetzt, im Nachhinein betrachtet: bei allem Verständnis für die Gefühle

der betroffenen Erwachsenen und in Anbetracht so vieler Berichte, denen

zufolge Scheidungskinder glücklich sind - vergiss es.

Für Kinder, wenn sie noch so jung sind, bricht wirklich eine Welt

zusammen, es ist für sie die Vertreibung aus dem Paradies der Geborgenheit,

sie fühlen sich hin- und hergerissen, haben Schuldgefühle gegenüber

demjenigen, der nicht mehr da ist. Und Aggressionen dem gegenüber, der

gehen wollte. Man kann alles schönreden - aber das nicht.

Ihre Seelen sind verletzt, und irgendwann später werden sie Probleme

bekommen: mit Vertrauen, mit Beziehungen, mit dem Selbstwert.


Das ist alles schlimm genug. Ich bin in ständigem Kontakt mit ihren Lehrern,

und die schlechten Noten sprechen Bände.


Natürlich läuft nicht jeder Fall so dramatisch ab - aber das gibt es eben

auch.

Ergänzend möchte ich sagen (nochmals auf das Zitat oben bezogen), dass

wir so viel Glück hatten: wir hatten aus Liebe geheiratet, 3 wunderbare

und gesunde Kinder, einen selbst-erarbeiteten Wohlstand, eigene

Gesundheit. Etwas mehr Demut wäre angebracht gewesen, wir haben das

Glück förmlich mit Füßen getreten.


Und jetzt, ein halbes Jahr nach dem großen "Aus"? Die Kinder sind

unglücklich (egal wie schön der große Porsche ist, mit dem sie zu ihren

Aktivitäten kutschiert werden, egal wie exotisch die Urlaube sind ...),

ich habe keinen sinnvollen Lebensinhalt mehr, und den Worten meines

Ältesten zufolge geht es meinem Ex-Mann nur finanziell gut.


Also ein Scherbenhaufen der Sonderklasse.


Ich wollte dich nicht schrecken mit diesen Zeilen, liebe Niki - wie gesagt,

es ist wahrscheinlich ein Extremfall - aber, bitte, denke an deine

(eure) Kinder. Sie sind keine Rand- oder Schachbrettfiguren, sondern

sie sind unseren Entscheidungen ausgeliefert und verdienen nichts

anderes, als dass man sie und ihre Seelen schützt.


Deinen Worten habe ich sehr wohl entnommen, dass deine Gedanken

über deine Kinder eine grosse Rolle spielen, ich denke auch nicht, dass

du leichtfertig bist, ganz im Gegenteil.


Dass du und dein Mann es vielleicht doch noch auf die Reihe kriegt und

mit der Lösung auch noch glücklich seid - das wünsche ich dir und deiner

Familie von Herzen.


Alles Liebe,

Karin


Zurück
Oben