Mit welchem "Fahrzeug" bist du gerade unterwegs?

Citare

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19 September 2004
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Hallo, hier etwas eigentlich "überflüssiges" aber das kommt von mir ja öfters mal ;)
Es geht ihr nicht wirklich um Fahrzeuge an sich, sondern um euch als Person. Das hier ist so eine Art "wie geht es dir gerade" Thread. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, wo ich das hier rein stellen sollte, also bei Fehlplazierung bitte verschieben.
Ich möchte von euch wissen, in welchem Fahrzeug ihr gerade symbolisch sitzt und warum. Ich fahre gerade mit einem automatisch gesteuerten Schnellzug aus dem Bahnhof. Ich habe viele Wagons abgekoppelt und dafür neue drangehängt. Neues Reisegepäck für meinen Umzug habe ich da auch drin. Schnell geht es voran, weil im Moment alles so unwahrscheinlich schnell hintereinander kommt, ich habe kaum Zeit zum Durchatmen...Aber dafür ist mein Zug ja auch automatisch gesteuert, zumindest im Moment. Ich treibe einfach mal mit den Geschehnissen mit und sehe mir die neue Umgebung an. Bin gespannt darauf, was mich dabei erwartet :)

Ein abendlicher Gruß
Mira
 
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Guten Abend Citare!

Erst einmal Danke für Deine tollen Fragen, die mich immer zum Nachdenken und schmunzeln bringen, aber mir oft helfen eine Lösung für mein Problem zu finden!

Also, ich bin Momentan mit einem Flugzeug unterwegs und überfliege die Autobahn...
Unter mir sehe ich schwer beladene LKW`s, die nur mit Mühe vorrankommen,
der Pannenstreifen ist belagert von Familienkombis,ein Kleinwagen versucht schon seit geraumer Zeit auf die linke Spur zu wechseln, aber er verpasst immer die Chance...
Hin und wieder huscht ein smarter Flitzer vorbei an all den Normen,er fährt so schnell und verpasst seine Ausfahrt, fährt weiter um die nächste zu nehmen und fährt ein ganzes Stück wieder Retour...
Auf der Landstrasse etwas abseits des Treibens,fährt ein Tracktor ganz gemach...

Das Flugzeug fliege ich, unter mir da ist mein Leben,doch leider kein Flughafen in Sicht!

Gaaanz liebe Grüße
ELLA!
 
Ich bin zu Fuß unterwegs. Ich gehe sehr langsam, mitten durch den Sonnenschein, will alles genau sehen. Es ist zur Zeit eher ein Spaziergang ohne bestimmtes Ziel, bzw. mit dem Ziel so viel wie möglich in mich aufzunehmen. Es ist interessant die Menschen zu beobachten, unterschiedliche Gesichter und Figuren, das Zusammenspiel von allem, den Autoverkehr, das Panorama einer Straße und der Blumenrabatten zwischen den Fahrbahnen. Diese Betriebsamkeit hat etwas vertrautes und vermittelt Geborgenheit.
 
Ich bin im Moment auch zu Fuß unterwegs,mein Weg führt mich?........nirgendwohin :dontknow:
Lass mich treiben, mal schaun`was das Schiksal für mich noch bereit hält.
Ich genieß die Ruhe und die Gelassenheit und die Zeit des Wartens.
Auf was? Es wird sich zeigen!!
LG Funny
 
Hallo Mira,

wirklich eine interessante Frage, musste eine Weile darüber nachdenken welches Verkehrsmittel meiner momentanen Situation am ehesten entspricht. Dann fiel es mir schlagartig ein.

Ich stehe in dem Führerhäuschen einer alten Dampflok, welche gerade durch einen langen Tunnel fährt und schaufel beständig Kohle nach, ignoriere die Erschöpfung und gönne mir kaum eine Pause, in der Hoffnung bald aus diesem Tunnel heraus zu sein. Mein Blick gleitet immer wieder verstohlen nach vorne, dort wo ich das Licht vermute....das Licht am Ende des Tunnels.

Liebe Grüße
Ceseena
 
Hallo Mira!

Danke für diesen Thread, ist schon toll, wie viel Symbolik in den "Fahrzeugen" liegen kann!

Ich wollte zuerst schreiben, dass ich zu Fuß so dahinschlurfe, weil alles bei mir im Moment eher langsam und gemächlich weitergeht.

Doch dann hab ich plötzlich ein Segelboot vor mir gesehen, Bingo. Ich segle, ich genieße es, doch ich sehe kein Ufer. Ich muss es nicht sehen, ich weiß, dass es da draußen - irgendwo - auf mich wartet.

"Der Weg ist das Ziel"....

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Bin in einem U- Boot unterwegs, welches ziemlich tief abgetaucht ist. Es ist sehr gut ausgerüstet, die Besatzung ist 1A. Meine Aufgabe dort ist nicht die Wichtigste, aber dennoch sehr wichtig. Den Kurs kenne ich nicht, lass mich einfach führen. An Land werde ich eine neue Aufgabe bekommen, worauf ich mich freue.
 
Hallo Ihr Lieben,

ich weiß zwar nicht, ob das ein Fahrzeug ist mit dem ich unterwegs bin, aber heute komme ich mir vor wie beim Zahnarzt. Schon seit einer Ewigkeit bohrt jemand unter mir und er hört überhaupt nicht mehr auf. Einfach ätzend.

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
Hallo Ereschkigal,

da hast Du wunderschöne Bilder gezaubert! :danke:

Ich glaube, ich sitze gerade in einem Zug, irgendwas altes, und will dahin, wo es ganz schön und ganz friedlich ist. Ich weiß nicht wer den Zug fährt und fahre durch eine Frühlingslandschaft, Sonne und nur Natur, keine Siedlungen aber ich habe Angst, dass die Schienen vorne nicht mehr weitergehen könnten und ich nie ankommen werde. Fühle mich aber sehr erwartungsvoll.

L.G.und einen sonnigen Tag
Timmi
 
Auf dem Meer

Hallo Citare,

ich habe solche Bilder schon lange in mir und als sie in mir auftauchten, habe ich einige Geschichten darüber geschrieben. Denn mich beschäftigt in dem Zusammenhang auch die Frage: Wo komme ich her - wo bin ich jetzt - und wo gehe ich hin. Und weil es so schön passt, möchte mal ein paar Auszüge aus den Geschichten hier rein stellen:

Als kleines Kind segelte sie los. Irgendwann, niemand vermag mehr zu sagen wann und warum es geschah, setzte man sie in ein kleines weißes Boot und ließ sie in die Weite des Meeres gleiten. Sie konnte nicht segeln, niemand brachte es ihr bei, doch die Götter waren ihr wohl gesonnen und so geriet sie anfänglich nie in einen schweren Sturm. Alleine und verlassen schaukelte ihr Boot über die Wellen, umschiffte alle Untiefen und Riffe und mit der Zeit lernte das kleine Mädchen immer besser, mit dem Boot umzugehen, es verstand zu navigieren, kannte Wind und Wetter und fürchtete sich nicht mehr vor der Einsamkeit und der Dunkelheit.

So segelte sie viele Jahre an den Küsten entlang bis ihr Boot eines Tages an eine kleine grüne Insel gelangte. Diese Insel war so schön, so freundlich und einladend das das Mädchen dort ihren Anker auswarf und als ihre nackten Füße den weichen, festen Boden betraten, erst da spürte sie wieder, wie sehr ihr das Land gefehlt hatte und sie überlegte, für immer dort zu bleiben.

Sie baute sich eine Hütte und viele Jahre lebte sie zufrieden auf dem hübschen Eiland. Sie wuchs heran, doch erwachsen wurde sie nicht – es gab keinen Grund dafür auf dieser Insel. Eines Tages stieg die junge Frau wieder einmal auf einen Hügel und mit erschrecken bemerkte sie, dass die Insel sich verändert hatte. Die einst so grüne Insel war kahl und öde, es wuchsen kaum noch Bäume dort, sie hatte sie mit der Zeit fast alle abgeholzt für ihre Hütte, für Möbel und Brennholz, ohne darüber nachzudenken das die Vorräte eines Tages erschöpft sein würden, denn es war ja nur eine Insel auf der sie lebte – das hatte sie beinahe vergessen. Sie wurde traurig und nachdenklich und eine nie gekannte Unruhe breitete sich in ihr aus. Sie spürte, sie würde nicht bleiben können, sie überlegte lange Zeit doch eines Tages setzte sie sich in ihr Boot, lichtete den Anker und segelte los – zu unbekannten Gefilden. Als sie die Insel, die ihre Heimat geworden war, langsam kleiner werden sah, tat ihr Herz weh und sie bedauerte sehr, wie unbedarft sie mit diesem Fleckchen Land, das ihr immer Sicherheit geboten hatte, umgegangen war.

Doch als die Insel am Horizont verschwunden war, verspürte sie plötzlich wieder dieses lang vergessene Freiheitsgefühl. Sie blickte nicht zurück und niemals bereute sie, zu neuen Ufern aufgebrochen zu sein. Das Meer war glatt und sie wagte sich so weit in den Ozean hinaus wie nie zuvor. Sie segelte und segelte und mit jedem Tag lernte sie mehr über die Weite die sie umgab. Sie fühlte sich frei und sicher, nachts schaute sie in den Sternenhimmel und tagsüber genoss sie die warme Sonne - sie hatte kein Ziel und sie steuerte ihr kleines Boot immer weiter hinaus.

Und als eines Morgens die Sonne über dem dunstigen Horizont aufstieg, sah die Frau in weiter Ferne etwas aus dem Meer aufragen. In diesem Moment war es vorbei mit ihrer Ruhe, sie war aufgeregt und verwirrt, sie raffte die Segel und ein guter Wind trieb ihr Boot schnell voran. Als sie näher kam, sah sie ihn. Ein riesiger Felsen ragte aus dem Meer empor – weiß leuchtete er in der aufgehenden Sonne – so hell wie ein Leuchtturm in der Nacht. Und als sie ganz nah an die weißen Wände herankam da wusste sie es: Das war ihre Heimat, hier war sie zu Hause, nur hier wollte sie leben, nur hier wollte sie ihren Anker werfen. Sie spürte ein unglaubliches Glücksgefühl in sich aufsteigen. Wie schön, wie stark, wie erhaben dieser Felsen doch war. Er konnte ihr Schutz und Sicherheit geben wie kein anderer Platz auf der Welt.

Sie segelte um die Felseninsel herum, die See war rau, es gab viele Untiefen und scharfe Klippen ragten aus dem Wasser. Aber sie fand keine stille Bucht, fand keinen Platz zum Ankern. Doch das störte die Frau nicht weiter, sie segelte wieder in tiefere Gewässer, warf ihren Anker und schwamm zur Insel um sie zu erkunden. Auch die schmerzhaften Schrammen die sie sich holte, als sie an den Felsen heraufkletterte störten sie nicht. Sie ließ sich auf den warmen Steinen nieder und räkelte sich in der Sonne – so wohl hatte sie sich noch niemals in ihrem Leben gefühlt wie auf diesem weißen, harten Gestein. Lange Zeit ruhte sie in der Sonne doch dann zogen Wolken am Himmel auf und verdunkelten die Welt. Sie fröstelte und suchte vergeblich Schutz. Sie beschloss, eine Hütte zu bauen. Die Insel war so zerfurcht und spitze Steine ragten überall empor, dass ihre Füße blutig wurden auf ihrer Suche nach dem geeigneten Platz. Lange Zeit kletterte sie über die Felsen, doch nirgendwo fand sie einen Platz zum Wohnen. Als die Sonne wieder durch die Wolken brach, ruhte die Frau wieder eine Weile aus – es war ein wirklich guter Ort. Sie stieg auf den Gipfel der hoch hinauf in den Himmel ragte und von dort hatte sie einen Blick wie nie zuvor im Leben. Von weit oben schaute sie über das unendliche Meer. Doch dann kam ein Sturm auf, Regen peitschte in ihr Gesicht, die Felsen wurden glitschig und der Frau blieb keine andere Wahl als zu ihrem Boot zurück zu schwimmen. Dort wartete sie den Sturm ab und am nächsten Tag machte sie sich erneut auf den Weg die Insel zu erkunden.

So ging es Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr – die Frau hatte ihr Ziel vor Augen, sie hatte ihre Heimat gefunden und so gab sie nicht auf, einen geeigneten Platz auf der schönen Felseninsel zu suchen – doch sie konnte ihn nicht finden, so sehr sie auch suchte. Manchmal wurde sie sehr müde, sie blieb tagelang auf ihrem Boot und schaute voller Sehnsucht auf den einsamen Felsen im Meer. Das Meer war hier lange nicht so ruhig wie auf ihrer alten Insel, eine tosende Brandung schlug gegen die Felsen. Das Wetter war stürmisch und rau – das alles störte die Frau nicht und sie fragte nicht warum, denn sie liebte diesen Ort.

Doch die Sonne kam immer seltener zum Vorschein und manches mal wirkte der sturmumtoste Berg jetzt unheimlich und bedrohlich. Wieder und wieder segelte die Frau um die Felseninsel, wieder und wieder lief sie sich die Füße blutig und sie wollte – nein, sie konnte – es nicht glauben. Es konnte einfach nicht sein, dass es hier keinen Platz für sie gab. Doch immer öfter beschlich sie das Gefühl, dass dieser Felsen niemandem Platz bieten wollte. Fast wurde es zur Gewissheit – er schüttelte sie ab – er verletzte sie mit seinen scharfen Kanten, er schubste sie von seinen rutschigen Felsen. Wut stieg in der Frau auf – das konnte, das durfte er nicht tun. Fragen stiegen auf – wieso machte er das? Sie fand keine Antwort.

Die Frau war verzweifelt. Was konnte Sie tun? Ein paar mal hatte sie versucht, die Felsen mit einer Spitzhacke zu bearbeiten um eine Stelle zu ebnen – doch der Berg hatte ihr die Gesteinssplitter hart ins Gesicht geschleudert – er ließ es nicht zu, dass man ihm so zu Leibe rückte. Die Frau hatte es auch mit einer Feile versucht, doch nach einer Weile musste sie aufgeben, die Felsen waren zu hart und zu zahlreich – sie hätte bis an ihr Lebensende dort gesessen um nur einen kleinen Platz glatt zu schleifen.

Die Frau wurde sehr traurig. Still betrachtete sie den schönen Felsen im Meer. Und je länger sie ihn so betrachtete umso klarer wurde ihr Blick – sie sah plötzlich den undurchdringlichen Nebel der ihn so oft umgab, sie sah seine scharfen Kanten bedrohlich aufragen, sie sah die tosende Brandung, die glatten, gefährlichen Klippen. Sie sah plötzlich, dass es dort keine Bäume gab, keine Buchten, keine ebene Stelle, kein Trinkwasser, keine Tiere und keine Blumen. Sie sah nur einen weißen, kahlen, bedrohlichen Felsen aus dem Ozean aufragen.

Sie wollte es nicht glauben. Konnte sie sich wirklich so getäuscht haben? Konnte sie wirklich die ganze Zeit so blind gewesen sein? Eine grausige Gewissheit schlich sich ganz langsam in ihr Bewusstsein – doch sie wollte es nicht wahr haben. Sie war die ganze Zeit auf einem harten, lebensfeindlichen Felsen herumgelaufen und hatte ihn tatsächlich für das Paradies gehalten.

Was war geschehen? Wie konnte das passieren? Sie schaute auf den Felsen und eine Ahnung stieg in ihr auf – dieser Felsen im Meer war genauso einsam wie sie. Er war das Symbol ihrer eigenen, nie gefühlten Einsamkeit – das Symbol ihrer tiefsten Ängste.

Dieser Felsen hatte sie an ihre Grenzen gebracht, er hatte ihr ihre Stärken und Schwächen aufgezeigt, er hatte ihr gezeigt, was sie vermisste und er hatte ihr gezeigt, was sie brauchte. Doch er konnte ihr nichts davon geben. Er war nur ein starrer, unbeweglicher Felsen. Er war nur ein Symbol – ein Wegweiser – ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit. Er hatte ihr gezeigt, wohin die Reise gehen sollte.

Dieser Felsen hatte sie gelehrt besser zu segeln. Er hatte sie gelehrt, den schlimmsten Stürmen zu trotzen. Er hatte sie gelehrt Wind und Wetter genauer zu beobachten und zu verstehen. Doch er hatte ihr nie den erhofften Schutz und die ersehnte Heimat bieten können.

Dieser Felsen hatte ihr nichts geben können und doch hatte er ihr so viel gegeben. Er hatte sie verletzt und ihr Schmerzen zugefügt – und sie liebte diesen Felsen, sie liebte diesen unwirklichen Ort, liebte, wie sie noch nie zuvor geliebt hatte. Doch sie spürte, dass es an der Zeit war, diesen Ort zu verlassen und der Gedanke daran erschien ihr unerträglich – heiße Tränen stiegen in ihre Augen. Sie wusste, sie hatte alles gelernt was sie hier lernen konnte und sie hatte schmerzlich begriffen, dass es hier keinen Platz für sie gab – das es nie einen gegeben hatte und nie einen geben würde. Sie wusste jetzt, dass sie nicht ewig auf ihrem kleinen Boot bleiben wollte, dass sie nicht ewig ziellos über das Meer segeln wollte und sie ahnte, wie ihre Heimat aussehen sollte. Zum ersten mal hatte sie eine Ahnung davon, was sie zum Leben brauchte und was sie vom Leben wollte.

Schon ein paar mal hatte sie halbherzig versucht von der Insel wegzusegeln, doch die Strömungen waren stark und immer wieder wurde ihr Boot zurückgetrieben. Doch jetzt war sie bereit aufzubrechen, jetzt konnte sie gut genug segeln um alle Strömungen und Klippen zu umschiffen.

Sie wusste nicht, wohin der Wind sie treiben würde, sie wusste nicht, ob sie diesen Ort jemals finden würde doch sie wusste, dass sie noch viel weiter auf das offene Meer hinaus segeln musste. Die Frau wusste jetzt, dass sie immer eine Heimatlose gewesen war und sie wusste, dass sie es nicht bleiben wollte.

Dicke Tränen rannen über ihre Wangen als sie den Anker einzog und einen letzten Blick auf ihren geliebten Felsen warf. Sie spürte, dass die Götter ihr wohl gesonnen waren. Sie raffte die Segel und nahm Kurs auf das offene Meer – und sie blickte nicht zurück.


Fortsetzung folgt...
 
Die Insel / Der Turm

Das kleine weiße Segelboot glitt über das Meer. Die Frau atmete tief den kühlen Wind ein, Nieselregen benetzte ihr Gesicht und vermischte sich mit den Tränen auf ihren Wangen. Sie war traurig und wütend und sie war verletzt, schwer verletzt – das Blut tropfte aus zahlreichen Wunden auf die braunen Planken ihres Bootes, vermischte sich mit dem Meerwasser und färbte das Holz rot im Licht der untergehenden Sonne. Die Frau wusste nicht wohin ihr Weg sie führen würde. Vor ihr lag die unendliche Weite des Meeres doch die Frau verspürte keine Angst mehr. Mit entschlossenem Blick nahm sie Kurs auf die offene See, weg von allen bekannten Küsten und Stränden.

Sie war noch nicht lange gesegelt da sah sie bei Sonnenaufgang eine grüne Insel aus dem Meer aufragen. Sie war unendlich erstaunt denn niemals hatte sie damit gerechnet in diesem Gebiet in dem sie sich jetzt befand auf Land zu stoßen. Sie steuerte geradewegs darauf zu. Einen kurzen Moment hatte sie überlegt einfach daran vorbeizusegeln, genauso wie sie es bei den meisten Inseln getan hatte die ihr im Laufe ihrer langen Reise begegnet waren. Zudem war sie doch gerade erst aufgebrochen und sie fragte sich, ob sie jetzt schon wieder anhalten sollte? Doch diese Insel war anders als die vielen anderen und sie schien die Frau magisch anzuziehen. Schon ein Blick hatte genügt und sie spürte, dass dies eine der wenigen Inseln war auf der sie leben könnte. Eine leise, unbestimmte Angst stieg in ihr auf. Als ihr Schiff näher kam rissen die Wolken auseinander. Die Sonnenstrahlen blendeten ihre Augen und tauchten die Insel in helles Licht.

Sie überlegte nicht mehr sondern nahm geradewegs Kurs auf die weite Bucht die sich vor ihr auftat. In einigem Abstand von der Insel warf sie ihren Anker aus – ganz so wie sie es gewohnt war – und schwamm zum Strand. Sie legte sich in den weichen Sand und betrachtete den Strand. Wie lange hatte sie nicht mehr in weichem Sand gelegen und wie lange hatten nicht mehr sanfte Wellen ihre Füße umspült. Sie blieb einfach dort liegen und lauschte dem Zwitschern der Vögel. Diesem fröhlichen Zwitschern das sie schon fast vergessen hatte. Ein paar kleine Äffchen tollten kreischend durch das Blätterdach der Bäume und die Frau musste lachen als sie ihrem Treiben zusah. Wie lange schon hatte sie nicht mehr gelacht. Sie lag einfach nur da und betrachtete die Schönheit die sie umgab. Als die Sonne über dem Meer versank schwamm sie zurück zu ihrem Boot. Noch lange saß sie auf Deck und blickte verwirrt und verwundert hinüber zu dieser Insel. Die Dämmerung verschluckte das Grün der Bäume und tauchte die Insel in tiefe Schwärze. Erst jetzt bemerkte die Frau, dass die Insel sehr groß war, viel größer als alle Inseln auf denen sie bisher an Land gegangen war. Unbekannte Geräusche drangen zu ihr hinüber. Die Frau fröstelte und ging in ihre Kajüte. Sie fiel in einen unruhigen Schlaf und Bilder von einem weißen, sturmumtosten Felsen vermischten sich mit dem satten Grün dieser unbekannten Insel.


Naja, die Geschichte geht ellenlang weiter - die Frau kann nicht auf der Insel bleiben und sie endet dann so:

Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte sie so ein sonniges Angebot ohne Zögern unbedarft angenommen und sich später gewundert was sie angerichtet hatte. Keine der Inseln auf denen sie gelebt hatte war unbeschadet davon gekommen, die Schäden waren sogar immer größer geworden – und nie hatte sie die Schuld dafür bei sich gesehen. Immer war sie einfach davon gesegelt – und sie hatte nicht zurück geblickt. Jetzt blickte sie zurück und sie sah die kleine, grüne Insel die sie damals fast kahl geschlagen hatte und sie sah den Felsen der fast im Meer versunken wäre. Und sie wusste, diese Insel würde auseinander brechen – und die Insel wusste es auch. Die Insel gefiel ihr wirklich sehr – zu sehr. Diesmal wollte sie keinen Schaden anrichten – diesmal musste sie aufbrechen bevor es zu spät war. Ein leiser Wind wehte in ihr Gesicht – die Frau hob den Kopf. Der Wind hatte sich gedreht.

Sie blickte auf das offene Meer und spürte einen Stich in ihrem Herzen...


Und dann passierte folgendes: (Die eigentliche Antwort auf Deine Frage)

Die Frau stand am offenen Fenster und schaute hinaus auf das weite Land. Tief sog sie den blütenschweren Frühlingsduft ein und die warme Sonne fiel auf ihr Gesicht. Grüne Hügel wölbten sich in der Ferne wie sanfte Meereswogen bis zum Horizont. Und tief unter ihr lag eine leuchtende, bunte Blumenwiese.

Sie genoss den Anblick der friedlichen Landschaft und mit einem Mal schienen die grünen Hügel in Bewegung zu geraten. Sie wogten hin und her, färbten sich blau und ein frischer Wind zerzauste ihr Haar. Sie sah einen endlosen Ozean vor ihren Augen und ein kleines Segelboot schaukelte verloren auf den Wellen. In weiter Ferne ragte die Spitze eines weißen, sturmumtosten Felsens aus dem Meer und nicht weit davon entfernt konnte sie schemenhaft die Umrisse einer grünen Insel entdecken. Und mit den Wellen kehrten die Erinnerungen zurück. Sie erinnerte sich, wie sie jahrelang über das Meer gesegelt war. Erinnerte sich an jede Insel auf der sie an Land gegangen war – und an jeden Abschied. Sie schmeckte das Salz auf ihren Lippen und fühlte die Gischt in ihrem Gesicht. Das letzte, woran sie sich erinnerte war die weite Bucht in der ihr kleines Boot vor Anker gelegen hatte.

Sie blickte auf das Land. Grüne Hügel, Frühlingsduft, eine bunte Blumenwiese. Sie befand sich hoch oben in einem alten Turm. Das runde Zimmer war spärlich eingerichtet. Ein schmales Bett, ein Nachttischchen mit einer Kerze, ein alter Schrank, ein kleiner Tisch mit einem Stuhl, ein Waschplatz, ein einziges, kleines Fenster und eine schwere Tür in deren Schloss ein großer Schlüssel steckte und die mit einem mächtigen Riegel verriegelt war.

Schemenhaft erinnerte sie sich, wie sie hier oben hingekommen war. Wie in einem Traum sah sie, wie sie die schwere runde Eingangstür aufgestoßen hatte, wie sie ins Innere des Turms geflohen war und eilig die Tür zugeschlagen und verriegelt hatte. Dann war sie die vielen Stufen hoch gelaufen, zuerst wie ein gehetztes Tier, dann wurden ihre Schritte langsamer und auf ihrem Weg nach oben hatte sie eine Tür nach der anderen hinter sich zugeschlagen und verriegelt –zuerst voller Panik, dann immer gelassener und zu letzt mit einer gewissen Genugtuung. Die Tür ihres Turmzimmers hatte sie sogar ganz bewusst, wie bei einer Zeremonie – langsam und bedächtig – verschlossen und verriegelt. Erleichtert hatte sie sich auf ihr Bett fallen lassen und war in einen tiefen Schlaf gesunken. Und jetzt war sie hier – hoch oben über der Welt – geschützt vor der Welt – einer Welt, die ihr so fremd war.

Sie war jetzt schon eine Zeit lang hier oben, ohne einen einzigen Schritt nach draußen gemacht zu machen. Und je mehr die Strapazen der Flucht langsam von ihr abfielen und je mehr sie die lang vermisste Ruhe wieder fand, umso mehr kehrten die Erinnerungen zurück. Sie konnte sich wieder an alles erinnern – bis auf eine einzige Sache. Sie wusste nicht, wieso sie nicht weitergesegelt war, wovor sie so panisch geflohen war und warum sie auf diesen Turm gestiegen war. Diese eine Lücke nagte mehr und mehr an ihr aber in ihrer Erinnerung war dort nur ein grauer Nebel. Sie wusste, sie wollte diesen Turm auf keinen Fall wieder verlassen – aber sie wusste nicht wieso und sei wusste nicht, wovor sie sich fürchtete.

Sie blickte auf die bunte Blumenwiese und erinnerte sich an die feuchte, dunkle Höhle in der sie so viele Jahre ihres Lebens verbracht hatte und vor deren Eingang für eine kurze Zeit auch einmal bunte Blumen geblüht hatten. Sie fragte sich, wieso sie nicht wieder in diese Höhle, die ihr bei Gefahr immer Schutz geboten hatte, geflohen war. Doch im gleichen Moment erinnerte sie sich, dass die Höhle ja entdeckt worden war – von dem Mann der die Größte aller Gefahren für sie dargestellt hatte. Sie sah Bilder dieser dunklen Höhle, sie sah, wie sie in der Ecke kauerte und wie seine starken Arme schon suchend dort hineingegriffen hatten. Und sie erinnerte sich, wie sie gezögert hatte, wieder dort hinauszugehen weil sie sich damals nicht erinnern konnte, was mit ihr geschehen würde, wenn er sie wieder – wie schon ein Leben zuvor – zu packen bekäme.

Sie war in der Höhle geblieben und als sie keinen Ausweg mehr wusste und verzweifelt und halb erfroren mit ihren Händen gegen die glatten Wände gehämmert hatte, waren ein paar der alten Steine herunter gefallen und hatten einen verborgenen Weg freigegeben. Sie hatte sich durch den dunklen Tunnel gezwängt und nach einiger Zeit war sie an einer weit entfernten Stelle wieder ans Tageslicht gelangt. Während der Mann noch immer vor der leeren Höhle wartete, war sie einfach immer weiter weg gelaufen, bis sie zu einem Fluss gekommen war, an dessen Ufer ein kleines, verlassenes Segelboot gelegen hatte. Sie hatte sich, ohne nachzudenken, in dieses Boot gesetzt und war den Fluss entlang bis zu seiner Mündung und dann hinaus aufs offene Meer gesegelt. So war sie damals auf das Meer gekommen und so war sie letztendlich in der weiten Bucht der schönen, großen Insel vor Anker gegangen. Doch sie hatte dort nicht bleiben können – sie erinnerte sich nicht mehr an den Grund dafür - aber die Frau erinnerte sich, dass sie sich daran gemacht hatte, dass Boot wieder klarzumachen um weiter, noch viel weiter, hinaus aufs Meer zu segeln. Doch wieso hatte sie es nicht getan? Wieso war sie jetzt in diesem Turm?

Sie dachte wieder an die Höhle und sie betrachtete das kleine Turmzimmer und die schöne Aussicht. Um wie viel besser war doch dieser Turm, als die kleine, feuchte, dunkle Höhle. Hell fiel das Sonnenlicht in das Zimmer und sie konnte aus dem Fenster das ganze Land überblicken und nicht nur, wie damals aus ihrer Höhle heraus, einen kleinen Ausschnitt erkennen. Das Zimmer war trocken und es hatte eine dicke Tür mit einem schweren Riegel – nicht wie die Höhle, einen offenen, nur durch Pflanzen geschützten Eingang. Der Turm hatte sogar viele Türen – und alle waren verschlossen – und er hatte dicke Steinwände, die jedem Angriff standhalten würden. Und das allerbeste war, dass der Turm ein Fenster hatte, durch das die Frau mit allen Menschen – ob Freund oder Feind – reden konnte, ohne sich irgendeiner Gefahr auszusetzen. Sie konnte mit ihren Freunden reden, ohne sich, wie bei der Höhle, hinauswagen zu müssen. Und sie konnte sogar mit Ihren Feinden reden, denn niemand konnten ihr nun mehr etwas anhaben.

Die Frau kam zu dem Entschluss, dass dieser Turm ein guter Platz zum Leben war – viel besser als die enge Höhle – die ihr Kinderversteck gewesen war und für die sie mittlerweile sowieso zu groß geworden war. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen der Höhle und dem Turm war die Mitbewohnerin, die so lange mit ihr in der Höhle gelebt hatte und die sie nun mit in den Turm genommen hatte. Es war ihre Freundin die Einsamkeit. Doch auch die war hier nicht mehr so übermächtig wie in der Höhle. Die Einsamkeit hielt sie hier nicht mehr so fest umklammert, sondern lebte in Einvernehmen mit ihr in diesem Zimmer. Und obwohl sie damals in der Höhle so wütend auf sie gewesen war und sie als falsche Freundin bezeichnet hatte, merkte die Frau nun, dass sie die Einsamkeit brauchte, dass sie ihr eine gute Gefährtin und ihr einziger Trost in schweren Stunden war und sie ließ sie gerne bei sich wohnen.


Die Geschichte ist noch nicht zu Ende - aber ich weiß, dass die Frau, wenn sie aus dem Turm heraustreten wird, zu ihrem Erstauenen vor der Türe ein kleines, weißes Segelboot finden wird...
 
Ich danke dir für diese schöne Geschichte...
Nun, mein Zug ist zum stehen gekommen. Ich habe nicht einmal mitbekommen, wie er langsamer wurde. Jetzt steht er einfach. Ich schaue mir mein ganzes Gepäck an, ich meine einiges gar nicht mehr zu benötigen, es wäre ohnehin zu schwer zu tragen. Aber ich muss zugeben, ein wenig Angst habe ich, das alles zurück zu lassen, ich denke es wird entgültig sein. Einiges das unnötig scheint nehme ich darum trotzdem mit, vielleicht werde ich es später am Wegesrand lassen. Jetzt muss ich nur sehen wohin ich möchte. Meine Karte habe ich verloren, mein Ticket für den nächsten Zug. In der Ferne sehe ich einen Bahnhof an dem ich ein neues lösen werde, hoffentlich weiß ich dann in welche Richtung es gehen soll. Alles was ich weiß ist, das die zwei Welten die ich bisher immer sah, streng getrennt voneinander mit einer kleinen Lücke zwischen sich, damit begonnen haben, eins zu werden. Ich fülle den leeren Streifen zwischen ihnen sogut es geht, doch ich weiß, dass mir dazu noch einiges fehlt. Das werde ich suchen, hoffentlich finde ich es vor meinem Bahnhof denn sonst fürchte ich zu reisen ohne wirklich ein Ziel zu haben.
Nun werde ich daher erstmal etwas zu Fuß dahin schlendern und unterwegs das vom Wegesrand pflücken, was ich irgendwann mal sähte. In meiner Nähe sehe ich einen mir sehr vertrauten Menschen den ich zwar noch nicht lange kenne doch...vielleicht gehen wir bald ein Stück weit den selben Weg, mal sehen was da kommt.
Das Forum hier ist eines der Dinge, die ich zurücklassen werde. Zumindest in der nächsten Zeit. Ich bin so voll mit Dingen beladen, dass es mir überflüssig ist. Aber ich bin fast sicher, hin und wieder wird es mich zurückziehen. Also lasst euch grüßen, alles Liebe auf euren Wegen.

Mira
 
Bin gerade mit einem Roller unterwegs. Er fährt leider nicht sehr schnell, aber es macht trotzdem Spass. Um die Autofahrer nicht zu stören, fahre ich auf dem Radfahrweg und geniesse den Wind. Ab und zu achte ich auf die Motorgeräusche...
 
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Hallo ihr lieben! :kiss3:

Mir war einfach mal danach Euch zu sagen, das mein Flugzeug gelandet ist!
Ich habe wieder festen Boden unter den Füssen und werde einen Teil meines Weges zu Fuss weiter gehen!
Meine Füsse ermöglichen mir auch auf steinigem Wege sicheren Tritt zu haben und tragen mich sicher zur Kuppe und wieder ins Tal!
Manch Wassergraben wird übersprungen um dann leichten Fusses die nächste Steigung zu erklimmen!
Und wenn ich zur Ruhe komme lege ich sie hoch,gönne ihnen und mir eine Pause und sehe sie nun mit anderen Augen....

Sie haben mich immer getragen, durch höhen und tiefen!
Ich gehe gerne zu Fuss, man nimmt anders wahr, intensiver...!
Ich liebe es, den Schritt zu fühlen!
Die Raserei ist vorbei!

Ich wünsche Euch einen wunderschönen Abend und
gaaaaanz liebe Grüße
ELLA!
 
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