Hallo, zusammen!
Ich möchte mit Euch eine Frage erörtern, die mich seit Jahren beschäftigt. Da ich hinsichtlich der Beantwortung abermals einen toten Punkt erreichte, wende ich mich mit der Bitte an Euch, zu diskutieren, was Ihr darüber denkt. Ich möchte betonen: Ich starte dieses Thema nicht, um von Euch getröstet zu werden, zumal es mir gerade bezogen auf dieses Thema recht gut geht. Es zieht mich also nicht herunter. Ich sehne mich nach intellektuellem Input Eurerseits.
Ausgangspunkt meiner Überlegung ist Folgendes: Ich befinde mich gerade am Ende meines Studiums der Rechtswissenschaft. Um ein ordentliches Ergebnis zu erzielen, sehe ich mich dazu gezwungen, viel Zeit und Energie mit der Akkumulation juristischen Fachwissens zuzubringen. Gemeinhin wird dies auch (Bulimie-)Lernen genannt. Mir stellt sich dabei seit langem die Frage nach dem Sinn: Mit Abschluss des Studiums erhalte ich ein Diplom. (Dieses Diplom ist im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz ein Verwaltungsakt Das musste ich jetzt so schreiben.) Dieser Verwaltungsakt berechtigt mich nun dazu, meine begrenzte Lebensenergie auf eine andere Art und Weise als bisher zu verkaufen. Schließlich wird es mir möglich sein, irgendeine juristische Dienstleistung zu verkaufen. Ich darf also mit Rechtsfiguren herumspielen.
Ich stellte bloß kurz meine persönliche Situation zum besseren Verständnis dar. Meine Frage indes ist völlig lösgelöst von einem spezifischen Beruf. Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist so organisiert, dass jeder auf irgendeine Art und Weise auf Geld angewiesen ist, um das eigene wirtschaftliche Überleben (mit einigen Annehmlichkeiten des Lebens) sicherzustellen. Viele gelangen zu Geld, indem sie ihre Arbeitskraft verkaufen, weil sie nicht das nötige Kapital haben, um vom Arbeitsmarkt unabhängig zu sein. Ich möchte mit diesem Thema nicht eine Diskussion insoweit starten, als Arbeit nur etwas für die Dummen unter uns sei. Ich bin ganz im Gegenteil davon überzeugt, dass der Mensch arbeiten muss, um ein sinnerfülltes Leben führen zu können. Dazu möchte ich den Begriff "Arbeit" definieren, wie ich ihn verstehe: Nach meinem Verständnis braucht der Mensch ein Objekt außerhalb seiner selbst, dem er sich vollends hingeben kann, in dem er aufblüht, in das er zeitweise eintauchen kann, ja vielleicht sogar mit ihm ein Stück verschmelzen kann. Was dieses Objekt ist, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Diese Form der Hingabe erreicht der Mensch nun, indem er mit dem Objekt arbeitet. Arbeit ist also nach diesem Verständnis etwas Positives.
Ich behaupte, das wichtigste Objekt der menschlichen Arbeit ist die Liebe, sei es zu sich selbst oder zu anderen Menschen. Jeder Mensch möchte leben, möchte wachsen, möchte lieben, möchte seine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit bringen. (Erich Fromm behandelt in seinem Meisterwerk "Die Anatomie der menschlichen Destruktivität" äußerst schafsinnig die existentiellen Bedürfnisse des Menschen und die verschiedenen in seinem Charakter verwurzelten Leidenschaften.) So fühle ich ganz deutlich, dass ich leben möchte, wachsen möchte, lieben möchte, meine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit bringen möchte.
Wie dies mit einer Erwerbsarbeit zu vereinbaren sein soll, ist mir nicht ersichtlich: Ziel jeder Erwerbsarbeit ist es im Rahmen eines Tausches ein Äquivalent (meistens in Form von Geld) zu bekommen. Der Tausch Arbeitskraft gegen Geld ist für den sog. Arbeitnehmer betriebswirtschaftlich gesehen ziemlich ungünstig, weil Geld einfach beschafft werden kann. Der sog. Arbeitnehmer kann indes nur seine Arbeitskraft und die dafür notwendige Zeit verkaufen. Verbrauchte Lebensenergie und vor allem verbrauchte Zeit können allerdings nicht einfach so beschafft werden. Insbesondere kann ich nicht in den Supermarkt gehen und mir dort mit Geld eine Packung "Zeit deluxe" kaufen. (Ich kann also Zeit und Lebensenergie gegen Geld tauschen, nicht jedoch Geld gegen Zeit und Lebensenergie. Die Umwandlung von Zeit und Lebensenergie in Geld ist also unumkehrbar. Das Geld abstrahiert also die Zeit und die Lebensenergie und speichert sie dann in Form von Papierschnitzeln.) Geld ist leicht verfügbar, Lebensenergie und Zeit sind hingegen ein knappes Gut. Nach dem gewöhnlichen betriebswirtschaftlichen Verständnis steigt der Preis, wenn etwas knapp ist und die Nachfrage danach besteht. So gesehen ist es saublöd, wenn ich die knappen und damit wertvollen Güter Lebensenergie und Zeit gegen im Überfluss vorhandenes und damit wertloses Geld eintausche.
Gerade verbrauche ich einen wesentlichen Teil meiner Energie für das Lernen. Später werde ich wohl irgendeiner Erwerbsarbeit nachgehen, die wiederum viel Energie verbrauchen wird. Wenn ich nun wenigstens ein Drittel des Tages für die Erwerbsarbeit aufbringe, um mein nacktes wirtschaftliches Überleben sicherzustellen, welche Energie bleibt mir dann noch übrig, um mich den Fragen meiner menschlichen Existenz stellen zu können? Wie kann ein erschöpfter Mensch sich noch mit den existenziellen Fragen des Menschen auseinandersetzen? Schon jetzt während des Lernens kann ich mich kaum mit meiner Liebesfähigkeit befassen, weil ich zu erschöpft bin. Wie entwickele ich meine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn ich einen Teil des Lebens eines anderen Menschen verwalte, indem ich ihm eine juristische Dienstleistung verkaufe? Was trägt der oben beschriebene Verwaltungsakt zu meiner Entwicklung als Mensch bei? Wie werde ich dadurch ein besserer Mensch? Wie entwickelt ein Ingenieur seine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn er eine Brücke baut? Wie entwickelt ein Müllmann seine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn er den Schmutz anderer Leute einsammelt? Wie entwickelt eine Büroangestellte ihre Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn sie Akten abheftet?
Ich freue mich auf Eure Antworten.
Ich möchte mit Euch eine Frage erörtern, die mich seit Jahren beschäftigt. Da ich hinsichtlich der Beantwortung abermals einen toten Punkt erreichte, wende ich mich mit der Bitte an Euch, zu diskutieren, was Ihr darüber denkt. Ich möchte betonen: Ich starte dieses Thema nicht, um von Euch getröstet zu werden, zumal es mir gerade bezogen auf dieses Thema recht gut geht. Es zieht mich also nicht herunter. Ich sehne mich nach intellektuellem Input Eurerseits.
Ausgangspunkt meiner Überlegung ist Folgendes: Ich befinde mich gerade am Ende meines Studiums der Rechtswissenschaft. Um ein ordentliches Ergebnis zu erzielen, sehe ich mich dazu gezwungen, viel Zeit und Energie mit der Akkumulation juristischen Fachwissens zuzubringen. Gemeinhin wird dies auch (Bulimie-)Lernen genannt. Mir stellt sich dabei seit langem die Frage nach dem Sinn: Mit Abschluss des Studiums erhalte ich ein Diplom. (Dieses Diplom ist im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz ein Verwaltungsakt Das musste ich jetzt so schreiben.) Dieser Verwaltungsakt berechtigt mich nun dazu, meine begrenzte Lebensenergie auf eine andere Art und Weise als bisher zu verkaufen. Schließlich wird es mir möglich sein, irgendeine juristische Dienstleistung zu verkaufen. Ich darf also mit Rechtsfiguren herumspielen.
Ich stellte bloß kurz meine persönliche Situation zum besseren Verständnis dar. Meine Frage indes ist völlig lösgelöst von einem spezifischen Beruf. Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist so organisiert, dass jeder auf irgendeine Art und Weise auf Geld angewiesen ist, um das eigene wirtschaftliche Überleben (mit einigen Annehmlichkeiten des Lebens) sicherzustellen. Viele gelangen zu Geld, indem sie ihre Arbeitskraft verkaufen, weil sie nicht das nötige Kapital haben, um vom Arbeitsmarkt unabhängig zu sein. Ich möchte mit diesem Thema nicht eine Diskussion insoweit starten, als Arbeit nur etwas für die Dummen unter uns sei. Ich bin ganz im Gegenteil davon überzeugt, dass der Mensch arbeiten muss, um ein sinnerfülltes Leben führen zu können. Dazu möchte ich den Begriff "Arbeit" definieren, wie ich ihn verstehe: Nach meinem Verständnis braucht der Mensch ein Objekt außerhalb seiner selbst, dem er sich vollends hingeben kann, in dem er aufblüht, in das er zeitweise eintauchen kann, ja vielleicht sogar mit ihm ein Stück verschmelzen kann. Was dieses Objekt ist, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Diese Form der Hingabe erreicht der Mensch nun, indem er mit dem Objekt arbeitet. Arbeit ist also nach diesem Verständnis etwas Positives.
Ich behaupte, das wichtigste Objekt der menschlichen Arbeit ist die Liebe, sei es zu sich selbst oder zu anderen Menschen. Jeder Mensch möchte leben, möchte wachsen, möchte lieben, möchte seine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit bringen. (Erich Fromm behandelt in seinem Meisterwerk "Die Anatomie der menschlichen Destruktivität" äußerst schafsinnig die existentiellen Bedürfnisse des Menschen und die verschiedenen in seinem Charakter verwurzelten Leidenschaften.) So fühle ich ganz deutlich, dass ich leben möchte, wachsen möchte, lieben möchte, meine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit bringen möchte.
Wie dies mit einer Erwerbsarbeit zu vereinbaren sein soll, ist mir nicht ersichtlich: Ziel jeder Erwerbsarbeit ist es im Rahmen eines Tausches ein Äquivalent (meistens in Form von Geld) zu bekommen. Der Tausch Arbeitskraft gegen Geld ist für den sog. Arbeitnehmer betriebswirtschaftlich gesehen ziemlich ungünstig, weil Geld einfach beschafft werden kann. Der sog. Arbeitnehmer kann indes nur seine Arbeitskraft und die dafür notwendige Zeit verkaufen. Verbrauchte Lebensenergie und vor allem verbrauchte Zeit können allerdings nicht einfach so beschafft werden. Insbesondere kann ich nicht in den Supermarkt gehen und mir dort mit Geld eine Packung "Zeit deluxe" kaufen. (Ich kann also Zeit und Lebensenergie gegen Geld tauschen, nicht jedoch Geld gegen Zeit und Lebensenergie. Die Umwandlung von Zeit und Lebensenergie in Geld ist also unumkehrbar. Das Geld abstrahiert also die Zeit und die Lebensenergie und speichert sie dann in Form von Papierschnitzeln.) Geld ist leicht verfügbar, Lebensenergie und Zeit sind hingegen ein knappes Gut. Nach dem gewöhnlichen betriebswirtschaftlichen Verständnis steigt der Preis, wenn etwas knapp ist und die Nachfrage danach besteht. So gesehen ist es saublöd, wenn ich die knappen und damit wertvollen Güter Lebensenergie und Zeit gegen im Überfluss vorhandenes und damit wertloses Geld eintausche.
Gerade verbrauche ich einen wesentlichen Teil meiner Energie für das Lernen. Später werde ich wohl irgendeiner Erwerbsarbeit nachgehen, die wiederum viel Energie verbrauchen wird. Wenn ich nun wenigstens ein Drittel des Tages für die Erwerbsarbeit aufbringe, um mein nacktes wirtschaftliches Überleben sicherzustellen, welche Energie bleibt mir dann noch übrig, um mich den Fragen meiner menschlichen Existenz stellen zu können? Wie kann ein erschöpfter Mensch sich noch mit den existenziellen Fragen des Menschen auseinandersetzen? Schon jetzt während des Lernens kann ich mich kaum mit meiner Liebesfähigkeit befassen, weil ich zu erschöpft bin. Wie entwickele ich meine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn ich einen Teil des Lebens eines anderen Menschen verwalte, indem ich ihm eine juristische Dienstleistung verkaufe? Was trägt der oben beschriebene Verwaltungsakt zu meiner Entwicklung als Mensch bei? Wie werde ich dadurch ein besserer Mensch? Wie entwickelt ein Ingenieur seine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn er eine Brücke baut? Wie entwickelt ein Müllmann seine Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn er den Schmutz anderer Leute einsammelt? Wie entwickelt eine Büroangestellte ihre Liebesfähigkeit zur Vollkommenheit, wenn sie Akten abheftet?
Ich freue mich auf Eure Antworten.