Das Problem, das ich sehe, ist nicht der Alkohol selbst, sondern die allgemeine Verteufelung. Alkohol kann wie jedes andere Mittel als Hilfsmittel oder als Droge eingesetzt werden.
Als Hilfsmittel eingesetzt kann er zuweilen sogar Leben retten, wie in meinem Fall geschehen, als mir zwei Liter Starköl (schwedisch für Gerstensaft) während eines Hyperventilationsanfalls den Atem zurückbrachten. Allein aufgrund dieses Erlebnisses würde ich niemals auf die Idee kommen, den Alkohol an sich zu diabolisieren.
Als Hilfsmittel in Notsituationen eingesetzt bedeutet natürlich, dass die Dosierung einigermaßen bewusst und angemessen ist.
Als Droge oder Fluchtmittel eingesetzt hingegen ist es immer eine Form des Missbrauchs, denn dieser Ansatz führt immer zur Überdosierung. Die erste Frage, die sich der Therapeut stellen sollte, lautet: warum setzt der Patient den Alkohol als Fluchtmittel ein?
Verteufelt der Therapeut das Mittel selbst und gibt dem Patienten das Gefühl, dass das, was er tut, grundsätzlich schlecht ist, ist das Resultat grundsätzlich kontraproduktiv. In den meisten Fällen verschlimmert sich dadurch sogar die Situation auf lange Sicht, denn der mit schlechtem Gewissen aufgeladene Patient wird sich anfangs starke Mühe geben, seine Sucht in Anwesenheit fremder Zeigefinger zu unterdrücken, aber wie man weiß, schreit alles, was unterdrückt wird, nach noch stärkerer Kompensation.
Und das führt im Falle des Trinkers in Abwesenheit fremder Zeigefinger, in heimlicher Atmosphäre also, zu einer noch stärkeren Dosierung (der sogenannte Secret Slicker), die zudem mit dieser vom Therapeuten initiierten negativen Grundladung in die Blutbahnen geschickt wird, sofern der Patient nicht stark genug ist, zu seiner Sucht innerlich zu stehen, sofern also der Patient das schlechte Gewissen nicht in ein gutes verwandeln kann, was natürlich in den seltensten Fällen geschieht. Und so enden solche ungünstigen Zeigefingersituationen nicht selten mit dem körperlichen Exodus, wie ich im Fall meiner Mutter beobachten konnte.
Meine Mutter starb letztes Jahr an Leberzirrhose. Natürlich spielte der Einsatz von Alkohol bei diesem Prozess eine nicht unwesentliche Rolle. Dennoch starb meine Mutter nicht wegen des Alkohols. Sie starb, weil der vorwurfsvolle Grundton ihrer Mutter der Fahrer dieses Wagens war. Meine Mutter hatte ein starkes mentales Bindungsverhältnis zu ihrer Mutter, von dem sie sich leider bis zu ihrem Tode nicht emanzipieren konnte. Wenngleich die Nabelschnur eine ziemlich große Länge erreicht hatte, war sie immer noch vorhanden, diese mentale Nabelschnur. Mit anderen Worten, dass, was meine Oma sagte, war für meine Mutter in der Tiefe immer noch Gesetz. Nur lautet das Gesetz meiner Oma, auch heute noch, leider: der Alkohol ist des Teufels.
Das entspricht allerdings auch generell dem auf diesem Planeten weitverbreiteten rein materialistischen Formendenken. Es wird nicht nach den wirklichen Ursachen gefragt, die immer seelischer, zwischenmenschlicher Natur sind, sondern die Mittel, die Formen werden verteufelt, was ein ziemlich kurzsichtiger, aus der Ungeduld geborener Ansatz ist.
Zwei grundsätzliche Dinge sind mir aufgefallen: Erstens, dass alles letztlich auf submentalen Abhängigkeitsverhältnissen beruht und zweitens, dass Menschen vor allem auf Töne, auf Klang reagieren. Stimmungen übertragen sich durch fühlbaren Klang (Gedankenenergie) und durch hörbaren (Stimme).
Da zwischen Therapeut und Patient immer ein mentales Abhängigkeitsverhältnis besteht, wird es vor allem darauf ankommen, welchen Grundton der Therapeut wählt. Wählt er einen vorwurfsvollen Zeigefingerton und verwechselt er zudem noch Inhalt und Form, sollte er lieber seine Lizenz sofort an den Nagel hängen. Ein guter Therapeut handelt immer aus der Geduld heraus und Geduld bedeutet zunächst mal, das, was ist, zu dulden.
Verteufelt er den Alkohol jedoch, zeigt er damit zugleich, dass er die Situation nicht akzeptiert, was wiederum verdeutlicht, dass er selbst ein Patient ist, denn er ist nicht bereit, die Wirklichkeit anzuerkennen. Er will sie aus der Welt schaffen, flüchtet selbst. Doch sein gewähltes Fluchtmittel ist nicht der Alkohol, sondern er setzt ein um einiges gewalttätigeres Mittel ein: dass der Verteufelung, mit anderen Worten, er kämpft. Er kämpft darum, den Patienten vom Alkohol wegzubringen und heuchelt vor, ihm helfen zu wollen.
Ein guter Therapeut hingegen erkennt die Lage des Patienten und gibt ihm das, wofür der Alkohol im Leben des Patienten ein Surrogat, ein Kompensationsmittel ist und das ist in erster Linie: Aufmerksamkeit!
Daher ist der Vorschlag "Nimm einen Schluck und rede mit ihm" ein durchaus aufrichtiger. Man bringt einen Patienten nicht von etwas weg, indem man sein Mittel bekämpft. Das ist äußerst kurzsichtig und hat noch nie funktioniert. Man muss die Leute, will man ihnen wirklich aus dem Herzen heraus helfen, genau da abholen, wo sie eben sind. Nur dann kann man sie eventuell dahin bringen, wo man selber ist. Alles andere ist reine Energieverschwendung.