Lieber Sebastian,
... das, was du da schreibst, klingt sehr nach mir.
Ich habe auch gedacht, ich wäre nicht sooo schlimm betroffen und habe mir deshalb keine Hilfe gesucht. Und ich dachte ebenfalls, die KK bezahlt mir meine Seelenblähungen (wie ich es immer gerne nannte) sowieso nicht. Hätte ich nicht so unter meinen Migräneanfällen gelitten, hätte ich mir sicher auch noch mehr Zeit gelassen.
Die nette Dame am Servicetelefon meiner (gesetzlichen) Krankenkasse sagte mir damals, dass ich natürlich das Recht auf eine Anhörung meines Problems durch einen Facharzt - bzw. Psychotherapeuten hätte. Der würde dann in die Wege leiten was nötig wäre - und es der Krankenkasse mitteilen.
Der Psychiater, der mir seinerzeit sehr geholfen hat, in dem er sich einfach viel Zeit nahm für mich, stellte mir nur wenige Fragen, um herauszufinden wie sehr ich in meinem täglichen Leben durch einen etwaigen Depressionsschub eingeschränkt war.
So fragte er mich u. A.: "Haben Sie vor etwas Angst. Z. B., wenn Sie verreisen müssen/wollen? Sind Sie sehr in Sorge vor Arztbesuchen/Vorsorgeuntersuchungen, obwohl Sie denken alles ist o. k. und Sie gar keine Beschwerden haben?"
Ich konnte fast alle Fragen bejahen. Ich war erstaunt, dass solche Ängste üblicherweise nicht zum Alltag dazu gehören. Sie haben mich stets begleitet. Schon als Kind. Meine Eltern hatten mir immer gesagt, ich solle meine Ängste für mich behalten, sie "runterschlucken". Stattdessen quälten mich meine Ängste und Sorgen und wurden immer größer. Ich hatte das immer hingenommen und nach und nach an Lebensqualität verloren.
Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie erschrocken ich war, als der Arzt mir rundheraus sagte, dass ich mir überlegen sollte mich behandeln zu lassen. Ich könnte ein viel zufriedeneres Leben führen.
Und er hatte recht. Es hat sich viel zum Guten gewendet in meinem Leben. Ich mache mir zwar immer noch viel zu viele Gedanken, besonders nachts, wenn ich nicht schlafen kann, doch ich kenne den Weg wieder herauszufinden aus dem dunklen Tunnel.
Ich gebe dir einfach den Rat, einen Arzt entscheiden zu lassen, ob deine Erkrankung therapiebedürftig ist oder nicht. Ein Beratungsgespräch zahlt die KK auf alle Fälle. Überlege es dir! Kein Ratgeber kann dir ein Arztgespräch ersetzen. Warte nicht einfach ab, bis der Leidensdruck größer wird.
Du bist auch auf der Welt um dein Leben zu genießen. Wenn du dich eingeschränkt fühlst durch deine Probleme, dann lass dir helfen!