"Die Frau folge dem Mann"
14.02.2005
Der Psycho-Guru Bert Hellinger verspricht Blitz-Heilungen von seelischer und körperlicher Erkrankung und inszeniert Familienaufstellungen vor einem Massenpublikum. Die Anhängerschaft des Wunderheilers irritiert weder dessen Wohnsitz in der ehemaligen Reichskanzlei, noch seine jüngste Forderung, Hitler wie jeden anderen Menschen zu lieben. Am 14. Februar durfte er in der Fürther Stadthalle auftreten.
Bert Hellinger ist ein Phänomen. Ohne jemals irgendeine therapeutische Ausbildung absolviert zu haben gilt der ehemals als katholische Missionar in Südafrika tätige Hellinger als der bekannteste Familientherapeut im deutschsprachigen Raum.
Seine Methode ist eine "Mixtur aus sozialtherapeutischen Methoden des Familienstellens" die um jede therapeutische Beschäftigung mit dem Klienten gekürzt wurde und einer auf einem archaischen Familien-, Frauen- und Menschenbild basierenden "esoterisch-schamanische
Geheimlehre." In 5-minütigen Blitz-Heilungen können Hilfesuchende ihre intimsten Nöte und Sorgen vor einem selten weniger als 500 Personen zählenden und zahlenden Publikum ausbreiten. Eine geheimnisvolle 'Familienseele' fährt daraufhin in Unbeteiligte und läßt sie angeblich mit fremden Zungen reden, manchmal werden sogar die Geister verstorbener Verwandter um Rat gefragt.
Man sollte denken, dass diese "Heilmethoden" weder besonders viele erwachsene Menschen beeindrucken, noch besonders schädliche Auswirkungen haben können. Das Gegenteil ist der Fall. Nachdem seine `Lehre` inzwischen in nachmittäglichen Talk-Shows wie Fliege und Kalwass und einschlägigen Boulevardmagazinen Fuß gefaßt haben, genießt der Ex-Missionar einen für `Therapeuten` ungewöhnlichen Bekanntheitsgrad.
"Papi, für Dich habe ich es gern getan"
Dies ist um so mehr zu beklagen, als mit Hellingers Methode auch immer reaktionäre und menschenfeindliche Ideologie verbreitet wird. In der Familie heißt es laut Hellinger "Die Frau folge dem Mann", und der Ältere steht über dem Jüngeren. Alle psychischen und körperlichen Probleme werden laut Hellinger durch die mangelnde Einhaltung dieser `ewigen Ordnung` verursacht. Dazu gehöre es etwa, wenn Opfer von sexuellem Mißbrauch den Täter nicht genügend "ehren", berichtete der Spiegel. Die Lösung nach Hellinger: Die Opfer müssen kniend vor dem Symbol für ihren Peiniger den `heilenden` Satz sprechen: "Papi, für Dich habe ich es gern getan".
Wer sich weigert, diese Demütigungen über sich ergehen zu lassen, dem wird vom Meister nicht selten gedroht. Colin Goldner schildert in seinem aktuellen Sammelband "Der Wille zum Schicksal. Die Heilslehre des Bert Hellinger" eine besonders folgenreiches Beispiel: Als eine Klientin den Saal unter Tränen verließ, weil die Quälereien des `Aufstellers` unerträglich wurden, meinte Hellinger 'Die Frau geht, die kann keiner mehr aufhalten. Das kann auch sterben bedeuten.' Am nächsten Tag nahm sich die hilfesuchende Frau das Leben. In einem Abschiedsbrief begründete sie ihre Tat mit den kruden Thesen Hellingers, der ihr vorgeworfen hatte in ihrer Familie nur zu stören und überflüssig zu sein. Der Meister wies jede Verantwortung mit den Worten "Ich kannte sie ja nur drei Minuten!" von sich und bestätigte damit die Warnungen von familientherapeutischen Fachverbänden und Sektenbeauftragten hinsichtlich der Kurzzeit-Therapie-Shows. "Soll ich Mutter spielen für all diese armen Würstchen?" meinte Hellinger nach der Schilderung Goldners weiter.
Soldaten sind Helden
Ebenfalls krankheitserregend ist es laut Hellinger, wenn Nachkommen von NS-Verbrechern deren Taten kritisieren. Passend dazu meint der Aufsteller hinsichtlich der Wehrmacht: "Es ist für mich auch ganz klar, wenn man auf unsere Soldaten vom letzten Krieg schaut, dass die Soldaten schon Helden waren. Was sie in diesem Krieg an Heldenmut geleistet in oft verzweifelten Situationen und mit letztem Einsatz, das war schon überragend. Dass das jetzt alles verteufelt wird, schwächt unsere Generation." Alles was geschehen ist, geschah laut Bert Hellinger zu Recht und darf eben nicht kritisiert werden.
Leider bleibt der Wirkungskreis von Hellingers esoterisch aufgemotztem reaktionären Mumpitz nicht auf bekanntermaßen niveaulose Angebote wie Fernsehtalkshows, Boulevardblätter und den boomenden Esoterik-Markt beschränkt. Inzwischen bekennen sich sogar schon manche, die es aufgrund ihrer Ausbildung besser wissen müßten zur `Familienaufstellung nach Hellinger`, wie der Skandal um Universitätsdozent Ruppert von der Katholischen Stiftungsfachhochschule in München klar machte. Aus diesem Anlaß veranstaltete der Münchner Asta eine Podiumsdiskussion zu Hellinger&Co, die inzwischen auch in Buchform erschienen ist.
Im Jahr 2003 schien Hellinger der von ihm verabscheuten modernen gesellschaftlichen Realität vollkommen den Rücken zu kehren und quartierte sich nach einer Reportage des Bayrischen Fernsehens, in Adolf Hitlers ehemaliger Reichskanzlei ein. Dort herrschen wohl ganz besondere Schwingungen: In seinem neusten Buch "Gottesgedanken" schreibt Hellinger von der Liebe zu Adolf Hitler, einer Person, die wie jeder andere Mensch zu lieben sei, und die nicht als "Unmensch" verunglimpft werden dürfte.
Meinungsfreiheit wird in Fürth großgeschrieben
Schon im letzten Jahr versuchte das Hellinger-Imperium in der Region Fuß zu fassen. Zu diesem Zwecke hatte der Psycho-Guru für Mitte Dezember geplant, in der Georg-Simon-Ohm-FH in Nürnberg mit seinem "Bert Hellinger International Workshop" Station zu machen, um seinen "Heilmethoden" mit der Anwesenheit in einer Hochschule, wissenschaftliche Weihen zu verleihen. Glücklicherweise konnte dies verhindert werden. Er wurde kurzerhand wieder ausgeladen.
Leider sprang die Fürther Stadthalle in die Bresche, wo die geneigte esoterisch angehauchte Kundschaft, am 14.Februar, also am Valentinstag, einen "Abend mit Bert Hellinger" verleben konnte. Unter dem Motto "Nur die Liebe hat Zukunft" durfte sich das Fürther Publikum in der ausverkauften Stadthalle mit politisch fragwürdigen Sprüchen 'verzaubern' lassen. Einwände des Antifaschistischen Aktionsbündnisses aus Nürnberg hatten es zwar bis in die etablierten Medien geschafft, die Reaktion der Stadt Fürth allerdings enttäuschte: Hellinger sei dem Verfassungsschutz nicht bekannt, deshalb gäbe es keinen Handlungsbedarf für die Stadt. Die Begründung des Fürther Rechtsreferenten, Christoph Maier, gipfelte in der Aussage, man könne doch niemandem wegen seiner Meinung den öffentlichen Auftritt verbieten. Dabei ging es den Kritikern natürlich nicht um das Verbot freier Meinungsäußerung, sondern um das zur Verfügung stellen städtischer Räumlichkeiten für rechte Propaganda und gefährliche unerlaubte Heilbehandlungen.
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