Hallo ihr,
ich möchte jetzt nicht speziell auf einen Beitrag antworten - ich finde alle wertvoll.
Dennoch möchte ich von mir etwas erzählen, das vielleicht nicht ganz klar war oder ist. Die Trennung von meinem Lebensgefährten erfolgte, als ich 30 Jahre alt war und mein Sohn knapp 3. Ich hatte damals bis zu seiner Geburt gearbeitet und sein Vater hatte studiert (5 Jahre lief das so, die ersten drei Jahre mit dem Kind lebten wir von staatlicher Unterstützung und meinen Eltern - an arbeiten war für mich nicht zu denken, ich schlief im Stehen ein und war praktisch 24 Stunden im Einsatz mit meinem Sohn, der ständig schrie, kaum schlief und wirklich die Herausforderung pur war). Unsere Lebenspläne gingen dahin, dass mein Lebensgefährte danach arbeiten wollte (durch das Studium hatte er tolle berufliche Aussichten) und ich endlich Psychologie studieren wollte und eben für das Kind da sein. Ich war mein Leben lang im falschen Beruf, meist total unterfordert und dementsprechend unglücklich damit.
Als mein Lebensgefährte mit dem Studium fertig war, hat er sich drastisch verändert. Er sah nur mehr seine Karriere und sagte mir klipp und klar, dass er zu jung für eine Familie gewesen war und die Entscheidung nicht hatte abschätzen können, er könne eigentlich mit uns gar nichts anfangen.
Ich war damit nicht nur gezwungen, meine gesamte Lebensplanung umzuwerfen, mit dem Alleinsein zurecht zu kommen und meinen Sohn alleine aufzuziehen (das war eigentlich das Schlimmste), wurde nicht nur von meinem Umfeld fallen gelassen (bekam sogar anonyme Anrufe, ich solle verschwinden aus dem Dorf - eine alleinstehende Mutter war dort sowas wie eine Hure), sondern ich konnte mir meinen Beruf auch nicht mehr aussuchen und musste bei dem bleiben, was ich eben vorher gemacht hatte. Ich bin zwar später noch zur Uni gegangen, aber ich hab das nicht gepackt mit dem Kind, das mich auslaugte und habe das Studium nach 5 Semestern aufgegeben (in denen ich zu den besten gehörte). Ich hatte auch kein Geld und mehr als ein Teilzeitjob war mit meinem Sohn nicht drin.
Ich war sehr einsam in dieser Zeit und ich litt darunter furchtbar. Es ging mir immer wieder sehr, sehr schlecht, vor allem, da ich einen schweren Rucksack an Altlasten mitschleppte, den ich erst mit harter Arbeit an mir selbst, viel Mühe und Hartnäckigkeit langsam abbauen konnte. Ich wurde wegen meines Sohnes sowohl von Lehrern als auch manchen Eltern anderer Kinder angefeindet, wir haben alles hinter uns - Schulwechsel, Polizei im Haus, Leistungsverweigerung, Autounfall mit Totalschaden, fast schwängerte er eine Klassenkollegin mit 16 usw. usw. usw.
Ich stand trotz allem zu ihm, auch wenn ich manchmal am liebsten schreiend davon gelaufen wäre. Ich suchte natürlich auch für mich mehr als ewige Pflicht und Geben, Geben und nochmal Geben - und ließ mich auch auf einige Beziehungen ein, die aber allesamt völlig unpassend waren, weil ich einfach keine große Wahl hatte. Letztlich bin ich alleine geblieben und als mein Sohn auszog, klappte ich zusammen. Aber nicht aus Trauer, sondern aus Erschöpfung. Ich war HEILFROH, dass ich endlich alleine leben konnte, auch wenn die Einsamkeit ohne Ablenkung anfangs erdrückend für mich war. Dennoch habe ich mich gut erholt und als mein Sohn seine jetzige Frau kennen lernte und das Baby sehr bald da war, wurde er endlich ruhiger und gesetzter und ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, eine Familie zu haben, wo alles gut lief. Natürlich nicht meine eigene, aber das wollte ich auch gar nicht, denn ich lebe sehr gerne alleine und tue seit Jahren nur mehr das, was ich tun will.
Aber ich bin auch ein Familienmensch, hatte nie eine gute Familie und das schien mir jetzt eine kleine Erfüllung dieses Wunsches zu sein. Ich habe mich nie eingemischt in ihr Leben und wir haben uns auch längst nicht ständig gesehen. Ich mache derzeit nebenbei eine Ausbildung im psychologischen Bereich, die mir sehr gut tut, arbeite ehrenamtlich und alles war im Lot. Ich habe weder viele Freunde noch klage ich darüber, wenn ich viel Zeit alleine verbringe.
Mein Job ist reiner Broterwerb, interessiert mich überhaupt nicht, ich bin auch dort unterfordert und könnte locker nur die halbe Zeit anwesend sein und würde alles genau so gut schaffen. Vermutlich noch besser, weil ich am effizientesten arbeite, wenn ich leicht unter Druck stehe und Herausforderung spüre. Aber ich habe mit 40 das letzte Mal den Job gewechselt (davor spätestens nach 4 Jahren) und heute bin ich schlicht zu alt, um wieder zu wechseln. Ich beziehe aber keine Kraft aus meiner Arbeit, schon gar keine Freude und wenn ich es mir leisten könnte, wäre ich sofort weg und ich wäre bestimmt weit glücklicher, wenn ich nicht mehr arbeiten müsste. Dann hätte ich mehr Energie, mich den Dingen zu widmen, die mich wirklich interessieren. Ich habe meine Arbeitszeit vor einem Jahr soweit reduziert, dass ich davon noch leben kann, weiter geht nicht.
Ich habe NIE für jemand gelebt, das Leben jemand anderes gelebt oder sonstwas in die Richtung. Ich war einfach gezwungen, meinen Sohn an erste Stelle zu setzen, weil sonst niemand da war und weil ich es für die wichtigste Aufgabe im Leben halte, die Verantwortung seinen Kindern gegenüber ernst zu nehmen. Aber glücklich war ich nicht damit und aufgegangen bin ich darin auch nicht.
Sandys Geschichte ist eine ganz andere als meine und man kann sie nicht in Ansätzen vergleichen. Ich war die größte Zeit meines Lebens alleine, ich war schon innerhalb meiner Familie als Kind alleine, weil ich ausgegrenzt wurde und ich war immer "anders" als andere und heute weiß ich, dass ich eine unentdeckte Hochbegabte, Hochsensible bin, die nie das tun durfte/konnte, was zu ihr gepasst hätte. Da ich viele Fähigkeiten habe, kann ich auch in allen möglichen anderen Jobs sehr gute Leistungen erbringen, aber ich saß nie in einem Job, wo das wirklich gefragt war.
Wahlmöglichkeiten hatte ich in meinem Leben - seit ich alleinerziehend war - so gut wie keine und die wenigen, die ich hatte, die hab ich alle ausgeschöpft, immer wieder und ich bin immer dran geblieben, mein Leben ständig zu verbessern. Aber ich hatte jahrelang heftige Depressionen und Panikattacken und Übermensch bin ich nun mal nicht, auch wenn ich manchmal für meine Begriffe fast Übermenschliches leistete. Ich hab mein Leben nie Psychopharmaka genommen, sondern die Zähne zusammen gebissen, um all das auszuhalten und durchzugehen.
Wer nicht verstehen kann, wie wichtig es für mich war, endlich, endlich einmal auch ein paar gute Jahre gehabt zu haben, der versteht mich nicht wirklich.
Liebe Grüße
Elena