Buddha und Enthaltsamkeit 2
Noch deutlicher zu den Äusserungen Buddha's zur Enthaltsamkeit äussert sich der Theravada-Mönch Bhante H. Gunaratana in einem
Interview.
Warum war dem Buddha das Zölibat so wichtig?
In der Tat ist das Zölibat unerläßlich für Menschen, die ein klösterliches Leben zu führen wünschen... denn letztlich können wir einzig und allein dadurch, daß wir uns von Habgier, Lust und Verlangen befreien, Befreiung vom Leiden finden.
Laien (also Nicht-Mönche) können bestimmte Stufen der Erleuchtung erreichen - wir nennen sie "Mitfließende" oder "Einmal-Wiederkehrende" - , bevor sie für sich selbst erkennen, daß sexuelle Aktivität unausweichlich Schwierigkeiten und Probleme mit sich bringt. Laien können sogar die dritte Stufe der Heiligkeit erreichen, wir nennen sie "Nie-Zurückkehrende". Aber sobald sie einmal diese Stufe erreicht haben, werden sie selbst aus ihrer eigenen Erkenntnis heraus entscheiden, daß eine Verstrickung in Sexualität den Fortschritt in ihrer spirituellen Praxis blockiert, und sobald sie das erkennen, werden sie ganz freiwillig aufhören, sexuell aktiv zu sein.
Frage: Könnten Sie etwas genauer beschreiben, warum Sexualität an sich transzendiert werden muß, damit Fortschritte auf dem spirituellen Weg gemacht werden können?
Antwort: Weil der Geist in Unordnung, getrübt und verwirrt ist, solange man sich damit beschäftigt, und weil man sich in Eifersucht, Furcht, Haß, Spannung usw. verstrickt - in all diesen Problemen, die aus der Lust entstehen.
Frage: Wurde in der Lehre des Buddha die Sexualität als von Grund auf negativ angesehen?
Antwort: Der Buddha lehrte, daß solange der Mensch sexuell aktiv ist, er kein Interesse an der Praxis des spirituellen Lebens hat; die beiden Dinge passen einfach nicht zueinander.
Aus Lust erwächst Furcht; aus Lust erwächst Habgier; aus Lust erwachsen Eifersucht, Zorn, Haß, Verwirrung und Kampf; all diese negativen Dinge erwachsen aus der Lust. Und deshalb sind all diese negativen Dinge in der Lust beinhaltet. Und, wissen Sie, wenn wir das sehen möchten, dann brauchen wir gar nicht weiter zu schauen als in unsere eigene Gesellschaft. Machen Sie nur die Augen auf und sehen Sie sich um. Wie viele Millionen Menschen kämpfen? Und das ist nur in ihrer Lust und Gier begründet - Ehemänner mit Ehefrauen; Freunde mit Freundinnen; Freunde mit Freunden; Freundinnen mit Freundinnen - usw., nicht wahr? Es macht keinen Unterschied, ob die Menschen heterosexuell, homosexuell oder bisexuell sind, das ist ganz egal. Solange du darin verstrickt bist, ist es unvermeidlich, daß du diese Probleme hast - Kampf, Enttäuschung, Zorn, Haß, Töten - all das ist damit verbunden.
Weil also der Buddha das Problem sah, das der Sexualität innewohnt, sagte er, daß es besser ist, die Sinne zu disziplinieren und zu kontrollieren, um ein ruhiges und friedvolles Leben zu haben. Aber das muß schrittweise erfolgen, langsam, begründet auf Verstehen, nicht unvermittelt. Es kann nicht erzwungen werden. Es muß allmählich geschehen und mit tiefem Verständnis.
Frage: Besonders in der heutigen Zeit würde das als ein sehr radikaler Standpunkt angesehen werden.
Antwort: Oh, sicher. Aber wissen Sie, nur wenn Menschen sich von diesen Dingen abwenden, nur wenn sie sich von dieser Art von Lehre fernhalten und räumlich und zeitlich Millionen von Meilen weit weg sind und sich dann umdrehen und auf die Wurzeln ihres Problems sehen, dann erscheint es radikal. Sie haben sich so lange abgewandt und in Raum und Zeit so weit entfernt, daß sie denken, wenn sie zurückschauen: "Um Himmels willen, wie kann ich das jetzt beseitigen? Ich habe mich so weit darauf eingelassen und ich bin jetzt darin so verstrickt." Deshalb erscheint es ihnen radikal. Klar ist es radikal!
Aus: "Das Leben des Buddha": "Irregeführter Mann, der du schon so weit weg bist, es wäre besser für dich, dein Glied würde in den Mund einer abscheulichen giftigen Viper eindringen als in eine Frau. Es wäre besser für dich, dein Glied würde in einen Haufen brennender, heißer und glühender Kohlen eindringen als in eine Frau. Warum ist das so? Im ersten Fall würdest du den Tod oder ein tödliches Leiden riskieren, aber du würdest nicht, wenn sich der Körper nach dem Tode auflöst, in einen Zustand von Elend wiedergeboren, in ein unglückliches Schicksal, in Verdammnis, vielleicht sogar in die Hölle."
Ich glaube, daraus erhält man einen recht deutlichen Eindruck davon, welche Einstellung der Buddha zur Sexualität hatte.
Sie wissen, daß der Buddha, wenn er vom Zölibat sprach, nicht nur vom Zölibat für Männer, sondern auch für Frauen sprach. Wenn er also zum Beispiel sagte, es sei besser, eine glühende Eisenkugel zu schlucken, als sexuell aktiv zu werden, dann gilt das auch für Frauen.
Der zweite Punkt ist, daß das Leben innerhalb der Familie mit einem Ehegatten usw. vom Buddha nicht verurteilt wurde; ein gesundes Sexualleben innerhalb der Ehe ist Laien gestattet, auch wenn es, wie ich schon sagte, niemals zu voller Erleuchtung führen kann.
Buddha sagte, ich übersetze aus dem Pali: "Egal, was du tust oder erlangst - du kannst in einer Höhle oder an einem abgeschiedenen Ort leben, und du magst alle Sutras auswendig gelernt haben; du magst ein gelehrter Redner sein; du magst auch Moral üben und so weiter und so fort - egal, was du sonst noch tun magst, solange du Lust, Haß und Unwissenheit nicht losgeworden bist, wirst du niemals Erleuchtung erlangen." Das lehrt der Buddha.
Alles Liebe. Gerrit