Reinfriede
Wenn Du die genauen Zahlen gegenüberstellst, so hast Du hier entweder einen Grund oder eine definitive Ausschlussmöglichkeit der finanziellen Ursache.
Das ist die eine Sache. Und die fände ich ebenfalls gut.
Die nüchterne Betrachtung würde Dir sicher weiterhelfen.
Gleichzeitig denke ich, dass der gesamte materielle Aspekt, sprich, die gefühlte Unausgewogenheit betreffend die Vergangenheit eher
einen Symbol- und Stellvertretercharakter hat.
mimschi
- er war immer ein "sparefroh" und ein geizhals
- machte im urlaub sowieso was er wollte
- ihm ging es blendend und merkte nicht einmal dass ich strudelte
- wenn ich mir über irgendwas sorgen machte, belächelte er mich
- er hat meinen job immer belächelt, ich arbeite ja nicht im büro, sondern ich sei nur "beschäftigt"
Geiz, im Gegensatz zu Sparsamkeit, ist eine Charaktereigenschaft - aber keine positive. Da bringt es jemand nicht über sich, dem andern eine Freude zu machen. Er geizt nicht nur mit Geld, sondern auch mit seiner Hingabe.
In mimschis Fall fehlendes Einbringen in die Familie, ferner geizte er mit seinem Verständnis für ihre persönlichen Sorgen.
Oft wird diese Art von Geiz verschleiert durch ein paar kompensierende freiwillige Gesten der Großzügigkeit, aus Gnade sozusagen. Womit nichts anderes bewirkt wird, als dass das eigene Persönlichkeitsgefühl auf Kosten des anderen gehoben wird.
Den Partner nicht ernst nehmen sehe ich als Abwertung und massive Beleidigung, besonders dann, wenn gleichzeitig die eigenen Bedürfnisse, die
eigene "Wichtigkeit", einen ungleich höheren Stellenwert einnehmen.
In dieser Beziehung kann ich mimschi schon verstehen.
Dennoch ist dies hier ein Widerspruch:
mimschi
er hat mich in die scheidung gerissen, wo vorher für mich doch noch alles in ordnung war
Dass für Dich vorher alles in Ordnung war, fällt mir schwer zu glauben, mimschi.
"Alles in Ordnung" bedeutet, dass Du zufrieden warst.
Auch heute, retrospektiv, kannst Du das, schon anhand Deiner Schilderungen, nicht wirklich gewesen sein.
Vielleicht hättest Du es damals nicht benennen können, was Dich unglücklich gemacht hat.
Auf der einen Seite wirst Du Deinen Mann geliebt haben, auf der anderen Seite bist Du mit seiner Persönlichkeit nicht
zurecht gekommen und musstest erkennen, dass eure Bedürfnis-Schere immer weiter aufgeht.
Heute glaube ich, dass sich bestimmte Muster und inkompatible Eigenheiten in einer Beziehung relativ schnell abzeichnen.
Aber jahrelang befindet man sich im familiären und beruflichen Aufbau, man ist total vereinnahmt.
Schaut auf die Kinder, auf den Beruf, auf die Wohnungssituation, auf die Finanzen, auf die sozialen Kontakte ... to be continued.
Der Blick hin zum Wesentlichen wird überlagert vom ganz normalen Wahnsinn des Lebens.
Und so verliert man sich selbst und den emotionalen Kern der Beziehung aus den Augen.
Bis einer, nach Jahren, wieder zu sich kommt, ein Resümee zieht - und es knallt ...
"SO will ich den Rest meines Lebens nicht verbringen" ....
Ich bin genau so lange geschieden wie Du, mimschi. Und auch ich habe festgestellt, dass das Verarbeiten einer Trennung ein sehr sehr
langer Prozess ist. Durchaus bestehend aus gänzlich widersprüchlichen Phasen:
Wut, Erleichterung, Schuldzuweisung, Anerkennung der eigenen Anteile, Bedauern.
Letzteres empfinde ich als besonders quälend. Das Bedauern darüber, an einem Lebensprojekt gescheitert zu sein und Chancen, es anders
und besser zu machen, verpasst zu haben. Die "was-wäre-gewesen-wenn" Gedanken-Spirale hat mich auch heute noch öfter im eisernen Griff,
und den tieferen Sinn erkenne ich lediglich in der Gewissheit, dass ich die gleichen Fehler nicht noch einmal machen würde - dafür eben andere ;--) ...
Die Frage soll wirklich nicht hämisch klingen - aber verstehst Du heute, warum sich Dein Mann getrennt hat?
Ich meine, kannst Du es aus seiner Sicht nachvollziehen?
Wenn Dir das gelingt, dann bist Du ein großes Stück weiter und es wird Dir auch helfen, aus der Opferhaltung heraus zu finden.
LG
Lucille