Hi *liebhaber,
Respekt für Deinen Beitrag, find ich ganz mutig und souverän, dass Du so von Dir erzählst.
Und Du sprichst da ein paar Dinge an, wo ich finde dass es sehr lohnend sein kann, die ein bischen genauer anzuschauen.
Erstmal fällt mir auf, dass Du zwar sehr offen von Dir erzählst, aber Dich scheinbar doch auch sehr von der "öffentlichen Meinung" beeinflussen läßt. Ich meine zB, was bräuchte es Dich kümmern ob Dich jemand sieht - was kümmert Dich die Meinung von irgendwelchen Leuten mit denen Dich gar nix verbindet und die eh nur nach einem Grund suchen um Dich verachten zu können? Nur mal so gefragt...
Weiter... Du schreibst, dass Du "drogensüchtig" warst, aber jetzt seit langem "clean" bist. Ich finde da die Sprachwahl total interessant. "Clean" ist ja englisch und heisst einfach nur "sauber". Also lernen wir, wer keine Drogen nimmt, ist "sauber" - Drogen sind also offenbar "schmutzig".
[Zwischendurch: dabei fällt uns ein, dass Sex ja auch "schmutzig" ist. Gibt es da vielleicht eine Gemeinsamkeit zwischen Drogen und Sex? Und da hast Du in Deinem Beitrag sogar eine ansgesprochen. Ich denke, Du bist da auf einer ganz heissen Spur.]
Aber weiter: Drogen sind also "schmutzig" und man ist dann "süchtig".
Schauen wir da mal genauer hin: wenn jemand jeden Tag seine 3-4 halbe Bier zwitzschert, oder seinen 16-Uhr-Whiskey, dann ist der natürlich nicht süchtig, und daran ist auch nichts "schmutzig", sondern das ist ganz normal und gesellschaftlich anerkannt. Oder wenn jemand jeden Tag seine Psychopharmaka einwirft, morgens den Muntermacher, abends das Schlafmittel, dazwischen was gegen die Depressionen, usw.usf. - der ist auch nicht süchtig, sondern er "braucht"(!) das ja (und kriegt es vom Arzt verschrieben).
"Schmutzig" sind also nur die verbotenen Drogen, und wenn man die nimmt (egal aus welchen Gründen), dann ist man automatisch immer "süchtig". Es geht da also überhaupt nicht darum, ob etwas gesundheitsschädlich ist, oder der Persönlichkeit schadet, sondern nur um dumpfen, gleichgeschalteten, unhinterfragenden Gehorsam: dass man eben nichts tut was verboten ist.
[Kurz zu mir: ich hab auch fast 15 Jahre lang alles an Drogen eingeworfen was mir so gefallen hat - ich täte aber nie auf die Idee kommen, mich deshalb als "süchtig" zu bezeichnen, sondern ich hab eben das getan was mir gefallen hat (und dabei niemand anderem geschadet!)
Klaro, das BRD-Regime hat auf jede erdenkliche Art versucht mich dafür zu bestrafen - hat mich in den Knast und ins Irrenhaus gesteckt usw. Im Grunde ist das alles nur eine Machtfrage: wie knüppelt man die Menschen zu dumpfen, angepassten Robotern, die gehorsam tun was ihnen vorgeschrieben wird und nichts mehr hinterfragen.]
So, weiter: Sex ist also auch "schmutzig". Dabei ist an Sex eigentlich gar nichts schädliches oder krankes (obwohl auch das von Moralaposteln immer gern behauptet wurde), sondern es geht auch da nur um die gesellschaftliche Moral: man tut das eben nicht, wenn man "sauber" und "ordentlich" ist.
Eines ist auch interessant an der Stelle - ein Detail aus der Kindererziehung: Jungs dürfen sich beim Spielen schon auch mal schmutzig machen - Mädchen dagegen werden schon mit fünf jahren angezogen wie Prinzessinmen und sollen immer adrett und piekfein und eben ganz "sauber" sein.
Interessant ist auch, dass wir hier den
englischen Begriffen "clean" und "dirty" begegnen. Diese gesellschaftlichen Werte stammen offenbar aus den USA und werden hierzulande lediglich unhinterfragt übernommen.
Nun wurden ja die USA zuallererst von jenen bigotten calvinistischen Bibelfanatikern besiedelt, deren Lustfeindlichkeit so unerträglich extremistisch war, dass wir sie hier schon im 17. Jh. davongejagt haben (-> Mayflower). Das sind eben jene Leute, die dann die amerikanische Ostküste besiedelt haben, und die heute die reichen amerikanischen Bankers und Unternehmer darstellen, die ihre kranken Vorstellungen jetzt der ganzen Welt aufzwingen.
Was ist nun das gemeinsame Element von Sex und Drogen, das als so "schmutzig" angesehen wird? Es ist ganz einfach Lust und Ekstase.
[Es gibt übrigens neben Sex und Drogen noch ein Drittes, das auch viel mit Lust und Ekstase zu tun hat, und entsprechend auch oft als "schmutzig" angesehen wurde: Musik und Tanz.]
Nun denke ich, dass Lust und Ekstase eigentlich ein ganz natürliches menschliches Urbedürfnis ist (etwas das uns überhaupt erst
Spüren läßt dass wir
Lebendig sind!), und erst ein ganz eigenartiges und verdrehtes christliches Religionsverständnis dazu führt, dies zu verteufeln und stattdessen nur ein ganz nüchternes und steriles Menschenbild zu akzeptieren.
Nur dass das halt in der Praxis nicht funktioniert, denn das Bedürfnis nach Lust verschwindet davon ja nicht, sondern wird nur versteckt.
Und genau so wie man in Amerika mit der Idee der Prohibition angeblich die "Moral verbessern" wollte, tatsächlich aber lediglich die Mafia und Al Capone hervorgebracht hat, fördert man mit dem heutzutage hochgehaltenen Ideal der "cleanen" (d.h. drogen- und sexfreien) Gesellschaft auch nur das organisierte Verbrechen, den Drogenhandel und die Zwangsprostitution.