Der ganze Thread hat mich wirklich innerlich aufgewühlt, berührt, weh getan... Ich dachte, dass es jetzt etwas besser geworden ist. Ist es aber nicht. Deshalb will ich auch von mir erzählen.
Nein, ich wurde nicht missbraucht. Das einmal vorweg. Ich hatte mit 16 eine verdammt gute Freundin. Ich spürte, dass etwas nicht stimmt, weil sie die fröhlichste Person war, die ich kannte. Aufgedreht, hypermobil, freundlich, liebevoll und in manchen Dingen oberflächlich.
Als ich einmal abends bei ihr war und wir wieder einen unserer langen Nachtgespräche geführt haben, habe ich sie auf einmal gefragt, wer ihr das angetan hat. Sie hat lange Zeit nichts dazu gesagt und wir saßen schweigend auf einer Bank am Feldweg und beobachteten die funkelnden Sterne. Dann begann sie zu erzählen, was passiert war...
Ich hätte vor Schmerz, Zorn und Wut laut aufschreien können. Aber was hätte es ihr gebracht ? Deshalb schwieg ich und ließ sie reden. Zuerst stockend...dann immer flüssiger. Genau so, wie ihre Tränen flossen.
Am Ende nahm ich sie fest in den Arm und zeigte ihr, dass sie nicht alleine dasteht, dass es Jemanden gibt, bei dem sie sich ausweinen darf, der ihr hilft und der sie liebt...
Sie hat sich später für den längeren Weg entschieden. Sie ist weit weggezogen und hat kaum noch Kontakte zu ihrer Familie, ihren Freunden und Bekannten. Auch wenn einige jetzt aufschreien : Ich bezeichne das als Flucht ! Ihr Therapeut hatte ihr auch dazu geraten. Entweder Verdrängung oder Aufarbeitung des Erlebten.
Ich konnte ihr leider nicht helfen das Erlebte aufzuarbeiten. Zwischen erzählen und aufarbeiten liegen Welten, die sich dennoch berühren.
Ich habe versagt ?! Das war mein Gedanke über viele Jahre. Jetzt denke ich, dass es für sie womöglich der, für sie, richtige Weg war, bzw. ist. Daran konnte ich nichts ändern und ließ sie gehen...
In den letzten Jahren lernte ich auch wieder eine sehr gute Freundin kennen. Sie war jedoch das krasse Gegenteil. Erzählte Allen, die es auch nicht hören wollten, dass sie von ihrem Bruder... ihr wisst schon...
Sie hatte so getan, als ob sie es verarbeitet und akkzeptiert hätte. Weit gefehlt. Der mentale und körperliche Zusammenbruch war nur eine Frage der Zeit... und er kam... Sie brach nach einem Jahr die Therapie ab. Sie wollte nicht, dass der Therapeut noch tiefer in ihrer Vergangenheit bohrt. ( sie hatte das Gefühl, dass sie für ihn nur ein Patient ist, eine Akte, die es jetzt mit seinem Wissen gilt bestmöglichst zu therapieren ). Vor ein paar Monaten erzählte sie mir dann, was geschehen ist, bzw. was sie bereit war zu erzählen. Hätte ich tiefer gebohrt ( und das hätte ich gekonnt ), wäre sie, wie sie es sagte, daran zerbrochen.
Sie hat es als Spitze des Eisberges angesehen. Langsam, Stück für Stück, trägt sie die Spitze ab. Solange, bis der Eisberg verschwunden ist. Sie lässt nur das an sie heran, was sie gerade verkraften kann. Ich halte ihr deshalb in manchen Dingen auch den Rücken frei. Sie weiß nur nichts davon und das ist auch gut so.
Warum erzähle ich das ? Nun, es hängt ganz alleine von den Opfern ( ich mag das Wort nicht, weil ich damit "Aufopferung" verbinde, also eine freiwillige Tat, mit dem Bewusstsein der Konsequenzen. Diese "Opfer" hatten leider keine Wahl ! ) ab, welchen Weg sie gehen wollen. Zeigen sie die Täter an oder nicht. Ich werde mich hüten sie vor eine Entscheidung zu stellen. Anzeigen oder Nichtanzeigen, das ist hier die Frage. Aber die Frage alleine, verschließt noch einen möglichen 3.Weg. Deshalb rate ich das auch nicht. Ich kann sehr wohl ihnen ins Gewissen reden, dass diese UnMenschen weiterhin ihr böses Spiel treiben können und das durch eine Anzeige evtl. anderen Menschen ein solches Schicksal erspart bliebe.
Wenn sie aber eine Konfrontation mit dem UnMenschen noch nicht durchhält, dann ist das auch wieder ein Weg, der ihr selbst schadet. Wenn sie die Konfrontation will und durchhalten kann, dann soll sie es unbedingt tun.
In meinem Fall haben Beide nicht die Kraft diese UnMenschen anzuzeigen. Aber ich habe dafür gesorgt, dass zumindest einer hinter Gittern sitzt und zumindest eine von ihnen nicht mehr belästigt, gar ge- und verängstigt wird. Sie wird ihren Weg gehen... auch ohne mich. Ich habe nur einen kleinen Stein von ihrem Weg weggeräumt. Jetzt hat sie die Möglichkeit ihr Leben neu zu ordnen, so wie sie es entschieden hat.
Was mit meiner guten Freundin wird die von ihrem Bruder missbraucht wurde, weiß ich nicht. Körperkontakt ist absolut verboten in bestimmten Situationen, da sie wirklich ausrasten kann und wild um sich schlägt. Da bin ich wirklich ratlos...
Noch schlimmer wird es, wenn sie mich absichtlich verbal verletzt. Ich weiß, was der Grund ist und nehme es ihr nicht übel ( naja, jedenfalls nicht mittel- und langfristig ).
Ich jedenfalls, versuche die Ursachen zu bekämpfen und nicht nur die Symptome, was da heißt : Konfrontation.
Ich stehe Jedem, der mich braucht zur Seite, egal wann, egal wie, egal wo. Für diese Konfrontation reicht ein Psychologe nicht aus. Ich finde, dass vertrauenswürdige Freunde mit in die Therapie miteinbezogen werden sollten, denn der Psychologe ist auch nicht immer 24h für einen da.
@Alia : Solange der "Wahrhaft Suchende" ein paar kleine Helferlein auf "SEINEM" Weg hat ist es in Ordnung. Den Weg mag er zwar alleine einschlagen, aber andere werden ihn begleiten, ob er will oder nicht.
So nun hab ich genug gelabert. Ich will euch nur noch sagen, dass es genügend Menschen gibt, denen ihr euch anvertrauen könnt. Traut euch eure Probleme mit anderen zu teilen und nicht aus Rücksicht auf die Belastung dieser Freunde lieber den Mund zu halten.
Ich könnte euch alle umarmen, wenn meine Arme lang genug wären. Aber so umarme ich euch alle mit den unendlich langen Armen meines Geistes und drücke euch fest an mein Herz, so wie ich es einst tat.
hab euch alle lieb