@Fafnir:
arbeitet deine Therapeutin auch systhemisch?
Oder hast du schon mal an eine Familienaufstellung gedacht?
Manchmal bringt sowas sehr viel Klarheit und kann mehr "lösen" als ewige Gesprächs- oder Verhaltenstherapie.
Nein, meine Therapeutin arbeitet selbst nicht systemisch.
Das Hauptproblem besteht nur zwischen meiner Mutter und mir. Es bleibt unlösbar, so lange sich meine Mutter weigert, an dessen Lösung tatkräftig mitzuwirken. Das wird sie auf keinen Fall tun, sie ist zu schwach, hinzusehen und den Schmerz aushalten zu können. Sie weiß schon sehr lange um die Problematik und tut nichts anderes, als neue Fronten als Ablenkungsmanöver zu kreieren, um sich mit meinem Problem nicht auseinandersetzen und den größten Fehler ihres Lebens eingestehen zu müssen. Sie leidet lieber für sich und lässt mich - wie üblich - im Regen stehen.
Meine Mutter hat mich als ihre Altersvorsorge vorgesehen - diese Aufgabe hat sie mir einfach zugewiesen, ohne dass mir je ein Mitsprache-Recht eingeräumt wurde... Leider hat sie mich nicht so behandelt, wie man seine Altersvorsorge behandeln und vor jeglichem Schaden durch andere beschützen sollte.
Ich habe meine Lebensplanung nach dem Selbstmordversuch außerhalb des Elternhauses gemacht und ihren Traum damit unmöglich gemacht. Sie hat mich zuerst im Stich gelassen, ich habe mit meinem Aus- und Wegzug nur die logischen Konsequenzen gezogen. Meine Mutter setzt ihren geplatzten Alters-Traum über meinen erlittenen Schmerz mit dem Im-Stich-Gelassen-Sein durch sie selbst.
Als Kinder sind unsere Eltern für uns Gott. Dieses Bild MUSS irgenwann zusammenbrechen.
Und dann können wir sie sehen als Menschen, mit ihren Fehlern und Schwächen. Auch sie haben eine Biografie die sie zu dem gemacht hat was sie sind.
Kennst du die deiner Mutter?
Mir hat es sehr geholfen ihr Leben zu verstehen.
Nicht als Entschuldigung für ihr Verhalten, aber zum Verständnis.
Ja, ich denke ich kenne den wichtigsten Teil der Historie.
Meine Uroma (Mutter meiner Oma) floh mit ihrer Herkunfts-Familie aus Schlesien.
Meine Oma war eines von ursprünglich 7 Geschwistern, 2 davon sind früh verstorben (Krieg und tödlicher Fabrikunfall). Sie ist als kleines Kind Ende der 1920er Jahre beim Spielen die Schuppen-Treppe runtergefallen und war danach zeitlebens ein Krüppel mit angebrochener Wirbelsäule, weil die Hilfe nicht rechtzeitig kam und die Medizin damals auch noch nicht ausgereift war. Sie hat zeitlebens mit ihrem Schicksal - dem Buckel und ihrer Kleinwüchsigkeit - gehadert, sie sah aus wie die Kräuterhexen aus den Grimmschen Märchen - Buckel, gekrümmte Haltung, Hakennase, vorspringendes Kinn.
Ihren ersten Mann hat sie in Kriegsgefangenschaft verloren, den gemeinsamen Sohn (Halbbruder meiner Mutter) hat sie ihrer Mutter (also meine Uroma) zur Erziehung überlassen, weil diese darum gebettelt hat.
Mit ihrem zweiten Mann hat sie eine Tochter - meine Mutter. Mein Opa ist mit 64 verstorben - ich hab ihn gefunden und die Todesnachricht meiner Oma überbracht. Meine Mutter sagt zwar, sie sei von ihren Eltern nie geschlagen worden. Das kann ich mir angesichts der Gewalt meiner Oma mir gegenüber nur schwer vorstellen. Auf alten Fotos hatte meine Oma schon die furchteinflößende Ausstrahlung, die ich "live" erlebt habe.
@ Spätzin und @ Clara Clayton : ihr habt Recht, dass ich loslassen sollte... Meine Therapeutin rät mir auch dazu. Aber ich muss dafür noch eine für mich akzeptable Grundlage finden.